Artikel zum franzoesischen Erbrecht:

von Sonja HERRMANN
Rechtsanwaeltin

I. Einleitung:
Internationaler Sachverhalt:

Deutsche Staatsangehoerige erwerben Immobilie in Frankreich

Viele Deutsche erwerben eine Immobilie in Frankreich, um sich dann eines Tages dort niederzulassen.

Beim Tod des Eigentuemers stellt sich sodann die Frage nach dem anwendbaren Erbrecht : deutsches Erbrecht oder franzoesisches Erbrecht?

Hierbei ist zu unterscheiden zwischen unbeweglichem Vermoegen (Immobilien) und beweglichem Vermoegen.

Der Ort des Nachlaßverfahrens bei Immobilien richtet sich nach der Lage des Grundstücks (Art. 3 Abs. 2 CC und Rechtsprechung, sog. Belegenheitsprinzip).

Das bedeutet, dass das Nachlassverfahren bezueglich der sich in Frankreich befindlichen Immobilie, in jedem Falle in Frankreich und nach franzoesischem Recht abgewickelt werden muss.

Im Hinblick auf das uebrige Nachlassvermoegen (bewegliche Gueter),  bestimmt sich der Ort des Nachlaßverfahrens nach dem letzten Wohnsitz des Erblassers ( Art. 110 CC, sogenanntes Wohnsitzprinzip).

Verstirbt also ein Deutscher, der seinen letzten Wohnsitz in Frankreich hatte, so wird das Nachlassverfahren bezueglich des beweglichen Vermoegens ebenfalls nach franzoesischem Recht abgewickelt.

Es ist daher von extremer Wichtigkeit sich vor einem Immobilienkauf und/oder einem Wohnsitzwechsel zu informieren, welche Regelungen im Erbfalle zur Geltung kommen und in wiefern diese eventuell im Widerspruch zu den deutschen Erbgesetzen stehen (z.B. was das Ehegattenerbrecht angeht, s.u.).

Hiernach eine zusammenfassende (nicht erschoepfende) Darstellung des franzoesischen Erbrechts:

II. Regelungen des franzoesischen Erbrechts:

1) Gesetzliche Erbfolge nach franzoesischem Recht (ein Testament ist nicht vorhanden)

Nach französischem Recht sind verschiedene Ordnungen von Erben nacheinander zur Erbfolge zu berufen:

Die vier Ordnungen sind:
1. Ordnung: die Abkömmlinge (sog. Deszendenten), d.h. die natürlichen Nachkommen des Erblassers (Art. 745 CC; Kinder, Enkel etc.).
2. Ordnung: die privilegierten Vorfahren (sog. Aszendenten; Eltern) und die privilegierten Seitenverwandte (Art. 746 und 748 CC; Geschwister, u.U. Nichten und Neffen)   4
3. Ordnung: die nicht privilegierten Vorfahren (Großeltern,Urgroßeltern etc.)  
4. Ordung: die nicht priviligierten Seitenverwandte (bis zur 4. Generation nach den Großeltern, Art. 753 und 755 CC; Onkel, Tanten, Cousinen, Cousins).

Das gesetzliche Erbrecht geht nacheinander von einer auf die nächste  Ordnung über, solange bis es tatächlich wahrgenommen wird.
Prinzipiell erben alle Kinder zu gleichen Teilen. Hierbei ist seit dem  Reformgesetz vom 3. Januar 1972 unerheblich, ob es sich um eheliche  oder nicht-eheliche Abkömmlinge handelt.
Ist die 2. Ordnung zur Erbschaft berufen, so wird die Erbschaft je zur  Hälfte auf priviligierte  Vorfahren und priviligierteSeitenverwandte  aufgeteilt. Bleibt nur noch ein priviligierter Vorfahre, so entfällt auf ihn  ¼, während die priviligierten Seitenverwandten ¾ erben.
Wenn es keine lebenden Erben der 1. und 2. Ordnung gibt, kommen die a nicht  privilegierten Vorfahren (der 3.Ordnung) zum Zuge. Sofern auch  diese nicht vorhanden sind, erbt die 4. Ordnung (nicht priviligierte  Seitenverwandte), jedoch grundsätzlich nur bis zum 6. bzw. 12. Grad (s.o.).

2) Die Stellung des ueberlebenden Ehegatten nach franzoesischem Erbrecht

a) Falls der Erblasser Kinder hinterlaesst:

Nach franzoesischem Recht hat der ueberlebende Ehegatte ein Wahlrecht,  ob er entweder den  Niessbrauch am gesamten Vermoegen oder das  Eigentum an einem Viertel des Vermoegens des Erblassers erben  moechte.

Die Wahl des Ehegattens muss innerhalb von 3 Monaten nach dem  Todesfall getroffen werden,  ansonsten wird angenommen, dass er sich f uer die Variante des Niessbrauches entschieden hat.

Falls der ueberlebende Ehegatte mit Kindern konkurriert, die nicht die  seinen sind, so darf er  nicht waehlen, sondern erbt das Eigentum an einem  Viertel des Vermoegens.

b) Falls der Erblasser keine Kinder hinterlaesst:

Falls die Eltern des Erblassers noch leben, so erbt der ueberlebende  Ehegatte das Eigentum an der Haelfte des Vermoegens; die uebrige  Haelfte wird zu gleichen Teilen zwischen dem Vater und der Mutter  aufgeteilt.

Falls nur noch ein Elternteil des Erblassers lebt, so erbt der ueberlebende  Ehegatte das Eigentum an drei Vierteln des Vermoegens; das uebrige  Viertel erbt der Vater bzw. die Mutter des Erblassers.
  
Falls der Erblasser keine Kinder hinterlaesst und seine Eltern bereits  verstorben sind, dann erbt der ueberlebende Ehegatte das gesamte  Vermoegen, jedoch mit der Ausnahme der beweglichen und unbeweglichen  Gueter, die der Erblasser von seinen Eltern per Schenkung oder Erbe  erhalten hat.

Falls diese Gueter sich in der Erbmasse des Erblassers befinden, so  erhalten dessen Geschwister oder deren Nachfolger die Haelfte.

c) Das Niessbrauchrecht des ueberlebenden Ehegatten:

Das Niessbrauchrecht des ueberlebenden Ehegatten kann auf dessen  Antrag hin oder auf den Antrag eines Erben hin in eine Lebensrente  umgewandelt werden.
Jedoch kann der Niessbrauch bezueglich des Familienwohnsitzes und den  Moebeln nicht gegen den Willen des Ehegatten in eine Rente umgewandelt  werden.

Im Streitfalle, entscheidet das Gericht.

Die Erben sowie der ueberlebende Ehegatte koennen die Rente ebenfalls in  eine Kapitalrente umgewandeln.

d) Der Familienwohnsitz:

Falls der ueberlebende Ehegatte im Moment des Erbfalles als Erstwohnsitz  eine Immobilie des Verstorbenen bewohnt, so wird ihm diese fuer die  Dauer eines Jahres zur Verfuegung gestellt.

Dieser eherechtliche Vorteil unterliegt keiner Erbsteuer!

Bei Ablauf der Jahresfrist, kann der ueberlebende Ehegatte fuer ein  Nutzungs- und Wohnrecht bezueglich der Immobilie und des Mobiliars  optieren.

Der Erblasser kann, per testamentarischer Verfuegung, anordnen, dass der  ueberlebende Ehegatte kein Nutzungs-und Wohnrecht nach Ablauf der  Jahresfrist hat.

3)  Der Pflichtteil

Der Pflichtteil stellt das Minimum dar, welches die sogennanten Pflichtteilsberechtigten erben.

Der Erblasser kann seit der Gesetzesreform nur ueber drei Viertel seines Vermoegens frei per Testament verfuegen, falls er einen Ehegatten  hinterlaesst und keine Kinder .  

Der ueberlebende Ehegatte erhaelt dann also in jedem Falle ein Viertel des Vermoegens des  Erblassers.

Dieses dem Ehegatten zustehende Viertel wird nur dann gemindert, wenn  die Eltern des Erblassers Gueter zurueckfordern, die sie ihrem  verstorbenen Kind geschenkt hatten.

4) Berliner Testament im franz. Recht

Definition Berliner Testament nach deutschem Recht:

Die Ehegatten setzen sich gegenseitig in einem Testament als Erben ein.  Die Kinder erben erst  beim Tod des zuletzt versterbenden Ehegatten.

Im franzoesischen Recht sind gemeinschaftliche Testamente prinzipiell  verboten (Art. 968 CC).
 
Dies bedeutet, dass das in Deutschland errichtete Berliner Testament eines  deutschen Paares, welches eine Immobilie in Frankreich besitzt,  oder/und seinen Wohnsitz in Frankreich hat, in Frankreich widerrufen  werden kann.

Das deutsche Paar hat also keine Sicherheit darueber, ob ihr Berliner  Testament in Frankreich Geltung haben wird.

Es gibt jedoch zwei Moeglichkeiten sicherzustellen, dass das deutsche  Erbrecht Anwendung  findet:

III. Moeglichkeiten zur Umgehung der Anwendung des franzoesischen Erbrechts:

1. Die Immobilie wird von einer vorher zu diesem Zwecke errichteten zivilrechtlichen  Immobilien- Gesellschaft erworben (auf franz.: SCI= Société Civile Immobilière).

Diese Vorgehensweise hat den Vorteil, dass im Erbfall nicht die Immobilie an sich, sondern die Gesellschaftsteile an ihr  vererbt werden.
Da die Gesellschaftsteile als bewegliches Vermoegen angesehen werden, kommt im Erbfalle deutsches Recht zur Anwendung (vorausgesetzt der letzte Wohnsitz des Erblassers befand sich in Deutschland!).

2. Das deutsche Ehepaar aendert den Ehegueterstand bezueglich der Gueter, die sich in Frankreich befinden wie folgt:

Wahl der Guetergemeinschaft mit einer Klausel, die vorsieht, dass der ueberlebende Ehegatte das gesamte Vermoegen der Guetergemeinschaft erbt (ansonsten erben die Erben des Verstorbenen die Haelfte des Vermoegens).

IV. Erbschaftssteuer:

Die Steuerklassen sind progressiv gestaltet. Der jeweils anwenbare Tarif hängt vom Grad der Verwandtschaft und der Nachlasshöhe ab.

Die hiernach aufgefuehrten Tarife gelten ab dem 1. Januar 2010.

a) Steuertarife in direkter Linie (Vorfahren oder Abkoemmlinge), steuerpflichtiger Nettoanteil:
Prozentsatz:
Weniger als 7.953 €                                                5%
Zwischen 7.953 € und 11.930 €                        10%
Zwischen 11.930 € und 15.697 €                      15%
Zwischen 15.697 € und 544.173 €                   20%
Zwischen 544.173 € und 889.514 €                 30%
Zwischen 889.514 €  und 1.779.029 €            35%
Mehr als 1.779.029 €                                            40%

Gut zu wissen: Seit dem 22. August 2007 sind der ueberlebende Ehegatte, sowie der ueberlebende Partner, der einen pacte civil de solidarité (PACS) geschlossen hat, von der Erbschatfssteuerpflicht befreit.

b) Erbschaft oder Schenkung zwischen Bruedern und Schwestern, steuerpflichtiger Nettoanteil:

Steuerpflichtiger Betrag nach Abzug des Freibetrages:

Prozentsatz:
Weniger als 24.069 €                                            35%
Mehr als 24.069 €                                                  45%

Gut zu wissen: Seit dem 22. August 2007, sind die Schwester oder der Bruder des Verstorbenen unter bestimmten Bedingungen von der Steuerpflicht befreit.

c) Erbschaft zwischen anderen Personen:

Weitere Faelle,  bei denen Steuerpflicht eintritt:

Prozentsatz:
Erbschaften zwischen Verwandten bis zum  4. Grad inklusive 55%
Erbschaften zwischen Verwandten ab dem 5. Grad  oder zwischen nicht verwandten Personen 60%

V. Praktische Hinweise: Was ist im Erbfall zu veranlassen?

1) Welche Behörden sind anzuschreiben?

– das Gemeindeamt (mairie): Der Todesfall muß innerhalb von 24 Stunden dem Standesamt gemeldet werden, in dessen Bezirk der Tod eingetreten ist. Das Standesamt bringt auf der Geburtsurkunde einen Sterbevermerk an (hierzu ist das Familienstammbuch des Verstorbenen vorzulegen) und stellt anhand der ärztlichen Sterbeurkunde den offiziellen Totenschein aus (« acte de décès » – Art. 78 CC).

– Nur im Ausnahmefall, wenn der Tod gewiss ist, der Leichnam aber nicht gefunden werden kann, ist für die Ausstellung des Totenscheins ein gerichtliches Urteil erforderlich (Art.88 CC).

– die Steuerbehörde: Desweiteren ist das Finanzamt zu benachrichtigen.

2) Wo bekommt man einen Erbschein?

Einen Erbschein, wie er im deutschen Recht vorgesehen ist, gibt es in  Frankreich, mit  Ausnahme von den drei Departements von Elsaß- Lothringen, nicht.
In der Regel ist die Art der Beweiserbringung der Erbenstellung frei.
In den anderen Departements gibt es anstelle des Erbscheins vier  Möglichkeiten für die  Erben, ihre Erbeigenschaft nachzuweisen:

a) Offenkundigkeitsurkunde (acte de notoriété)
 
Zum einen gibt es die in Art. 815-11 Abs. 2 CC vorgesehene Offenkundigkeitsurkunde (« acte de notoriété »), die in der Regel vom Notar ausgestellt wird.
Sie enthält die Erklärungen von mindestens zwei Personen, die die gesetzliche oder testamentarische Erbeigenschaft bestimmter Personen bescheinigen.
Die Urkunde legt die einzelnen Rechtsnachfolger fest sowie ihren jeweiligen Anteil an der Erbmasse.

Die Erklärenden muessen persönliche Kenntnis der beurkundeten Umstände haben; in der Regel handelt es sich bei ihnen um Verwandte oder Nachbarn des Erblassers.
Der Erbe selbst kann seine Erbeigenschaft nicht bescheinigen, weil er in diesem Falle zugleich Partei und Zeuge wäre.

Die Beweiskraft der Offenkundigkeitsurkunde erstreckt sich auf die Ehrenhaftigkeit und Verantwortlichkeit der Erklärenden und des Erstellers der Urkunde.

Aus diesem Grunde ist der Ersteller der Urkunde verpflichtet, sich aller verwertbaren Beweismittel zu bedienen, wozu insbesondere die folgenden zählen: – das Familienstammbuch des Verstorbenen und seiner Verwandten – Personenstandsurkunden des Erblassers und seiner Kinder (und eventuell deren Eheverträge) – Personenstandsurkunden von Erben mit mindestens drei Kindern – Erklärungen des Familienrates für minderjährige Erben oder für solche, die unter Vormundschaft, Betreuung und Pflegschaft stehen – andere Belege, da alle Beweismöglichkeiten im Interesse größerer Genauigkeit ausgewertet werden sollen.

Die Urkunde fingiert die Erbeigenschaft der in ihr genannten Personen.

Dies hat zur Folge, dass dritte Personen, die mit den in der Urkunde als Erben Genannten Verträge abschließen, in Bezug auf deren Erbeigenschaft als gutgläubig gelten.
Sie sind daher für den Fall einer eventuellen späteren Inanspruchnahme durch die wahren Erben geschützt.

Die Offenkundigkeitsurkunde ist die häufigste Form des Nachweises der Erbeigenschaft.

Sie wird insbesondere auch bei Wertpapieren angewandt, für die eine « Übertragungsurkunde » errichtet wird, sowie bei Immobiliarsachenrechten, die im Grundbuch einzutragen sind.

b) Bestandsverzeichnis (inventaire)
 
Ein weiteres Beweismittel ist das Bestandsverzeichnis (inventaire).
Es wird nicht von Amts wegen, sondern auf Antrag der Beteiligten erstellt.
Um den Erben als Beweisstück zu dienen, muß in einer Art Vorwort bezeichnet sein, in welcher Eigenschaft der Antragsteller seinen Anspruch auf das Erbe bzw. einen Teil der Erbschaft geltend macht: als Verwandter des Erblassers und damit als gesetzlicher Erbe, als Vermächtnisnehmer oder testamentarischer Erbe.
Später ist es dann möglich, Ausfertigungen und Auszüge des Bestandsverzeichnisses zu erteilen, um den Erben jeweils die Möglichkeit zu geben, Dritten gegenüber ihre Erbeigenschaft nachzuweisen.

c) Eigentumsnachweis

Darüberhinaus gibt es das Beweismittel des Eigentumsnachweises (certificat de propriété). Dieser wird vom Notar ausgestellt.
Hierbei handelt es sich um eine Art öffentlicher Urkunde, in der das Eigentum bestimmter Personen an den in der Urkunde genannten Gütern (Sachen) bescheinigt wird.

d) Notarielle Bescheinigung über Grundstücksrechte

Für die Immobiliarsachenrechte gibt es das Beweismittel der notariellen Bescheinigung bezüglich der Rechte an einem Grundstück (attestation notariée immobilière).
Sie wird vom Notar ausgestellt.
Es handelt sich hierbei um eine Art notariell beglaubigten Grundbuchauszug, in dem alle Übertragungen von Rechten an dem Grundstück, die nach dem Tod des Erblassers erfolgt sind, enthalten sind.

e) Die Ausfertigung der Bescheinigung muß von den Erben innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall beantragt und spätestens vier Monate nach Antragstellung beim Grundbuch veröffentlicht sein.

Ich bedanke mich fuer Ihre Aufmerksamkeit!

 Sonja HERRMANN
 Rechtsanwaeltin,
 Barreau de la GUADELOUPE,
 14 Immeuble Capital
 Rue Marie Louise Payen
 97122 BAIE-MAHAULT
 GUADELOUPE (Frankreich)
 
herrmann.avocat@yahoo.fr

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