Das auf die Erbfolge anwendbare Recht in den Niederlanden

Die Niederlande haben am 27. September 1996 das Haager Übereinkommen über das auf die Erbfolge anwendbare Recht ratifiziert. Dieses völkerrechtliche Übereinkommen sollte die Abwicklung von Erbfällen mit internationalem Bezug dadurch erleichtern, dass aus der Sicht aller beteiligten Staaten das gleiche Erbrecht für anwendbar erklärt wird. Allerdings sind die Niederlanden bislang der einzige Staat, der den Vertrag unterzeichnet hat, weswegen er völkerrechtlich noch nicht in Kraft getreten ist. Durch Gesetz vom 4.9.1996 erlangten die Regelungen des Haager Übereinkommens aber als innerstaatliches niederländisches Recht Geltung.
Rechtswahl
Die niederländischen Vorschriften erlauben in sehr weitgehendem Umfang eine Rechtswahl durch den Erblasser. Dies ist im internationalen Vergleich sehr ungewöhnlich, bietet aber den Vorteil, dass eine Nachlassplanung erleichtert wird. Der Erblasser kann dadurch im Voraus festlegen, an welchen staatlichen Vorschriften er sich z.B. hinsichtlich der verfügbaren Quote des Nachlasses, die nicht mit Pflichtteilsansprüchen belastet ist, orientieren muss.
Der Erblasser kann für seinen gesamten Nachlass bestimmen, dass die Erbfolge einer der folgenden Rechtsordnungen unterliegen soll:
–    eines Staates, dessen Staatsangehörigkeit er im Zeitpunkt der Wahl besitzt
–    eines Staates, dessen Staatsangehörigkeit er im Zeitpunkt seines Todes besitzt
–    des Staates, in dem er zum Zeitpunkt der Rechtswahl seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte
–    des Staates, in dem er zum Zeitpunkt zum Zeitpunkt des Todes seines gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Darüber hinaus ist eine Wahl bestimmter Rechtsordnungen für die Erbfolge in einzelne Nachlassgegenstände möglich. Es können also z.B. Grundstücke, die in einem anderen Staat gelegen sind, dem dort geltenden Erbrecht unterstellt werden. Allerdings bleiben durch eine derartige Rechtswahl, durch die es zu einer Aufspaltung des Nachlasses und die Anwendung mehrerer Rechtsordnungen nebeneinander kommt, die zwingenden Vorschriften des für den übrigen Nachlass geltenden Rechts unberührt. Die Möglichkeit kann dennoch vorteilhaft sein, da viele andere Staaten (z.B. Frankreich) die Erbfolge in Immobilien, die sich auf ihrem Staatsgebiet befinden, ohnehin stets nach dem eigenen Recht beurteilen. Somit kann z.B. in einem Erbfall mit Berührungspunkten zu den Niederlanden und Frankreich erreicht werden, dass aus Sicht beider beteiligter Staaten jeweils das gleiche Recht anwendbar ist.
Die Rechtswahl erfolgt durch eine Verfügung von Todes wegen (z.B. Testament). Dabei muss zwar nicht die gesetzliche Grundlage angegeben werden und Rechtwahl auch nicht durch eine explizite Klausel benannt werden, sie muss aber trotzdem eindeutig sein. Die weiteren Voraussetzungen und die Wirksamkeit der Rechtwahl unterliegen dem gewählten Recht.

Gewöhnlicher Aufenthalt
Wenn keine oder eine unwirksame Rechtwahl getroffen wurde, richtet sich die Erbfolge nach dem Recht, das am letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers gilt. Unter dem gewöhnlichen Aufenthalt ist dabei im Regelfall der Lebensmittelpunkt einer Person zu verstehen. Das Haager Übereinkommen und damit auch das niederländische Recht sehen zur Verhinderung von unbilligen Ergebnissen, die z.B. wegen der leichten Veränderbarkeit des gewöhnlichen Aufenthalts drohen, zusätzliche Faktoren vor. Das Recht des letzten gewöhnlichen Aufenthaltsortes gilt dann, wenn der Erblasser entweder auch die Staatsangehörigkeit dieses Staates besaß oder er im Zeitpunkt seines Todes bereits seit mindestens fünf Jahren dort ansässig war. Andernfalls gilt das Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit der Erblasser besaß. Auch bei einem Aufenthalt von fünf Jahren und mehr findet das „Heimatrecht“ ausnahmsweise dann Anwendung, wenn wegen besonderen Umständen davon auszugehen ist, dass im Todeszeitpunkt dennoch eine engere Verbindung mit dem Heimatstaat bestand. Hat der Aufenthalt im fremden Staat zwar noch keine fünf Jahre gedauert, besteht aber ersichtlich auch keine enge Verbindung mehr mit dem Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Erblasser besaß, ist das Recht des Staates anwendbar, mit dem der Erblasser auf andere Weise am engsten verbunden war. Diese Variante kann z.B. bei Auswanderern, die jeden Kontakt zur Heimat gekappt haben, greifen.
Das Erbrecht des Aufenthaltsstaates findet letztlich also nur dann Anwendung, wenn die enge Verbindung des Erblassers mit diesem Staat durch zusätzliche Faktoren hervortritt. Ein Entscheidungsdissens droht z.B. im deutsch-niederländischen Verhältnis bei einem deutschen Erblasser, der seit mehr als fünf Jahren in den Niederlanden lebt. In diesem Fall wäre aus deutscher Sicht deutsches Erbrecht berufen, aus niederländischer Sicht dagegen niederländisches Recht. Eine Rechtwahl kann diesen Konflikt beheben.

Anwendungsbereich
Nach den oben dargestellten Regeln werden grundsätzlich alle erbrechtlichen Fragen, z.B. die gesetzliche Erbfolge, Pflichtteilsansprüche, der zulässige Inhalt von Testamenten oder die Ausgleichung von zu Lebzeiten des Erblassers erhaltenen Zuwendungen beurteilt. Zu beachten ist aber, dass insbesondere Fragen der Formgültigkeit von Testamenten, die Frage nach der Testierfähigkeit und güterrechtliche Fragen ausgenommen sind.

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