NORWEGISCHES ERBRECHT

– Stand 10. Februar 2011 –
Dr. Roland Mörsdorf
Partner
Advokatfirmaet Grette DA, Oslo

1.    Erben
Das norwegische Erbrecht kennt sowohl die gesetzliche als auch die testamentarische Erbfolge. Soweit sich daraus keine Erben ergeben, fällt die gesamte Erbschaft dem norwegischen Staat zu.

2.    Verwandte
An der ersten Stelle der gesetzlichen Erbfolge stehen die Verwandten des Erblassers. Grundsätzlich fällt daher den Verwandten die gesamte Erbschaft zu. Soweit jedoch der Erblasser einen Ehegatten/Lebenspartner oder einen Lebensgefährten hinterlässt, wird das Erbrecht der Verwandten durch das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten/Lebenspartners oder des Lebensgefährten beschränkt. Darüber hinaus kann das gesetzliche Erbrecht der Verwandten durch ein Testament des Erblassers beschränkt werden. In diesen Fall können die Abkömmlinge jedoch von den testamentarischen Erben einen Pflichtteil verlangen. Der Pflichtteil beläuft sich grundsätzlich auf zwei Drittel der Erbschaft, ist jedoch auf einen Betrag von NOK 1.000.000 pro Abkömmling und dessen Stamm beschränkt.
Die gesetzlichen Erben sind in drei Ordnungen unterteilt. Die gesetzlichen Erben der ersten Ordnung sind die Abkömmlinge des Erblassers. Die gesetzlichen Erben zweiter Ordnung sind die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge. Die gesetzlichen Erben dritter Ordnung sind die Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge. Damit entspricht die gesetzliche Erbfolge dem deutschen Erbrecht.
Abweichend vom deutschen Erbrecht gibt es jedoch keine gesetzlichen Erben vierter Ordnung (Urgroßeltern) und fernerer Ordnungen. Im norwegischen Erbrecht sind also nur die Abkömmlinge, die Eltern und die Großeltern sowie deren jeweilige Abkömmlinge erbschaftsberechtigte Verwandte. Die gesetzlichen Erben einer Ordnung schließen im norwegischen Recht die gesetzlichen Erben aller nachfolgenden Ordnungen aus. Auch dies entspricht dem deutschen Erbrecht, nach dem ein Verwandter nicht zur Erbfolge berufen ist, solange ein Verwandter einer vorhergehenden Ordnung vorhanden ist.
Angenommene Kinder sind den leiblichen Kindern gleichgestellt. Dies bedeutet, dass angenommene Kinder in die gesetzliche Erbfolge des annehmenden Elternteils und damit nicht in die gesetzliche Erbfolge der leiblichen Eltern eintreten.

3.    Ehegatte/Lebenspartner
Neben den Verwandten hat auch der überlebende Ehegatte des Erblassers ein gesetzliches Erbrecht. Gleiches gilt für den überlebenden Lebenspartner gleichen Geschlechts, soweit die Lebenspartnerschaft im norwegischen Personenregister eingetragen ist. Lebenspartner, die nicht eingetragen sind, haben hingegen kein gesetzliches Erbrecht.
Der Umfang der Erbschaft hängt davon ab, welche Verwandten der Erblasser hinterlässt.
Wenn der Erblasser gesetzliche Erben erster Ordnung (Abkömmlinge) hinterlässt, steht dem überlebenden Ehegatten/Lebenspartner ein Viertel der Erbschaft zu, jedoch mindestens in dem Umfang, der dem Vierfachen des norwegischen Grundbetrags entspricht. Bei dem norwegischen Grundbetrag handelt es sich um eine aus dem norwegischen Sozialversicherungsrecht stammende Größeneinheit, die jährlich Ende Mai/Anfang Juni rückwirkend zum 1. Mai desselben Jahres an die Inflationsrate angepasst wird. Zum 1. Mai 2010 betrug der Grundbetrag NOK 75.641.
Wenn der Erblasser keine gesetzlichen Erben erster Ordnung, sondern nur gesetzliche Erben zweiter Ordnung (Eltern) hinterlässt, steht dem überlebenden Ehegatten/Lebenspartner die Hälfte der Erbschaft zu, jedoch mindestens das Sechsfache des norwegischen Grundbetrags.
Wenn der Erblasser weder gesetzliche Erben erster Ordnung noch gesetzliche Erben zweiter Ordnung hinterlässt, steht dem überlebenden Ehegatten/Lebenspartner – insoweit abweichend vom deutschen Erbrecht, das zunächst noch die Erben dritte Ordnung (Großeltern) berücksichtigt – die gesamte Erbschaft zu.
Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten/Lebenspartners kann durch Testament beschränkt werden. In diesen Fall kann der Ehegatte/Lebenspartner jedoch von den testamentarischen Erben die oben genannten Mindestbeträge, also das Vier- bzw. Sechsfachen des norwegischen Grundbetrags, verlangen.
Unter bestimmten Umständen ist der Ehegatte/Lebenspartner außerdem berechtigt, die gemeinsame Wohnung zu übernehmen und weiter zu nutzen.

4.    Lebensgefährte
Das norwegische Recht kennt neben dem Ehegatten und dem Lebenspartner gleichen Geschlechts auch den Lebensgefährten (Samboer). Hierbei handelt es sich um eine Person, mit der der Erblasser eine eheähnliche Lebensgemeinschaft begründet hat.
Wenn der Erblasser mit seinem Lebensgefährten mindestens ein gemeinsames Kind hat, so kann der Lebensgefährte von den Erben das Vierfache des norwegischen Grundbetrags als gesetzliches Erbe verlangen. Dieses Recht kann jedoch durch Testament vollständig ausgeschlossen werden.
Unter bestimmten Umständen ist auch der Lebensgefährte berechtigt, die gemeinsame Wohnung zu übernehmen und weiter zu nutzen.

5.    Testament
Der Erblasser kann durch Testament – vorbehaltlich der oben stehenden Einschränkungen zu Gunsten der gesetzlichen Erben – frei verfügen. Die Rechte aus dem Testament sind durch den Erben allerdings innerhalb von sechs Monaten ab Kenntnis vom Erbfall und dem Inhalt des Testaments geltend zu machen.
Das norwegische Erbrecht stellt an die Errichtung des Testaments verschiedene formelle Anforderungen. Danach gilt, dass das Testament grundsätzlich der Schriftform und der Bestätigung durch zwei Zeugen bedarf. Wenn die Formerfordernisse nicht erfüllt werden, ist das Testament nichtig und findet keine Beachtung, so dass die gesetzliche Erbfolge eintritt.

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