Es wurde bereits dargestellt, dass die Anfechtung der Erbschaftsannahme möglich ist. Das OLG Hamm hatte jedoch kürzlich zu entscheiden, ob auch eine Anfechtung der Anfechtung der Erbschaftsannahme zulässig ist. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Eine Witwe und ihr Sohn wurden durch Erbfall gesetzliche Erben. Sie stellten beim zuständigen Nachlassgericht am 01.06.2005 einen Antrag auf Erteilung eines gemeinsamen Erbscheins. Am 11.10.2005 fochten beide Miterben zur Niederschrift des Rechtspflegers die Annahme der Erbschaft wegen Irrtums an und schlugen die Erbschaft aus. Als Begründung gaben sie an, dass sie von der Werthaltigkeit des Nachlasses ausgegangen seien, da sie indem Glauben gewesen seien, zum Nachlass gehöre auch eine Kapitallebensversicherung. Dem Nachlass gehörte jedoch keine Kapitallebensversicherung an. Die Witwe und ihr Sohn beantragten daher die Einziehung des Erbscheins. Am 03.05.2006 lehnte das Nachlassgericht die Einziehung ab. Am 12.06.2006 fochten Mutter und Sohn mit Anwaltsschriftsatz die Anfechtungserklärung vom 11.10.2005 an mit der Begründung, dass sie nunmehr festgestellt hätten, dass zu dem Nachlass auch ein Depot gehöre und der Nachlass damit doch nicht überschuldet sei. Am 08.12.2006 wiederum teilten die Erben dem Nachlassgericht mit, dass doch eine Überschuldung des Nachlasses vorliege, da das Depot Nachlassverbindlichkeiten absichere. Diese Erklärung erfolgte auch durch Anwaltsschriftsatz. Mit diesem Antrag legten die Witwe und ihr Sohn auch Beschwerde gegen die Ablehnung ihres Antrages auf Einziehung ihres Erbscheines ein. Die Anträge begründeten sie damit, dass sie erst im September 2005 sichere Kenntnis darüber gehabt hätten,. dass die Kapitallebensversicherung nicht mehr im Nachlass vorhanden sei. Die mit dem Fall befasste Steuerberaterin habe vorher keine Angaben gemacht und ihre Ausführungen nach dem Tod des Erblassers seien vage geblieben. Das Landgericht hatte die Beschwerde zunächst zurückgewiesen. Das OLG Hamm hingegen gab der Beschwerde statt. Zur Begründung führte das OLG Hamm aus, dass zur Beschwerde gegen die Ablehnung der Einziehung des Erbscheins jeder befugt sei, der in seinem Erbrecht beeinträchtigt sei. Dies folge aus § 20 Abs. 1 FGG. Dazu gehöre auch derjenige, der den ihn als Erbe ausweisende Erbschein selbst beantragt habe. Ein Erbschein ist darüber hinaus unrichtig, wenn die darin ausgewiesenen Erben die Annahme der Erbschaft wirksam wegen Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft angefochten haben. Die Überschuldung des Nachlasses stellt nach ständiger Rechtssprechung einen solchen zur Anfechtung berechtigenden Irrtum dar. Im Zeitpunkt der Annahmeerklärung muss sich die Fehlvorstellung hinsichtlich der Überschuldung verfestigt haben, dass bestimmte, zum Nachlass gehörende Rechte oder Vermögenswerte vorhanden sind oder fehlen. Im vorliegenden Fall sei die Annahme der Erbschaft von den Erbscheinserben hauptsächlich deshalb erklärt worden, weil sie davon ausgegangen seien, dass eine Kapitallebensversicherung zum Nachlass gehöre und der Nachlass daher werthaltig sei. Die Anfechtung sei auch formwirksam gewesen, da am 11.10.2005 die Frist noch nicht abgelaufen gewesen sei. Die Witwe und ihr Sohn hätten die für die Anfechtung maßgebliche Kenntnis erst im September erlangt, so dass die Frist nicht vor dem 13.10.2005 habe ablaufen können.
Mit dieser Entscheidung folgte das OLG Hamm der bisherigen Rechtssprechung und stellte noch einmal klar, dass die Anfechtung der Anfechtung grundsätzlich möglich ist. Das OLG führte darüber hinaus aus, dass die mit einfachem Anwaltsschriftsatz erklärte Anfechtung am 12.06.2006 nicht den Formvorschriften der §§ 1955, 1956 BGB genügte und somit unwirksam war.
Tanja Stier
Rechtsanwältin