Der Begriff des Erbschleichens ist gesetzlich weder definiert, noch gesellschaftlich klar eingeteilt. Zu diesem Thema gibt es weder einen umfangreichen Katalog an gesetzlichen Vorschriften, noch eine Fülle von Literatur oder Beiträgen im Internet, die Betroffenen eine Hilfestellung geben können.
Erbschleichen mag für die nachfolgenden Ausführungen demnach allgemein als Vorgang verstanden werden, bei der eine Person versucht, den potentiellen Erblasser (in unredlicher Art und Weise) zu beeinflussen, um sich über einen Erbvertrag, ein Testament oder gar eine Schenkung zu Lebzeiten Teile des Vermögens dieses potentiellen Erblassers zu verschaffen, das er im Rahmen der gesetzlichen oder vielleicht auch bisher testamentarisch gesicherten Erfolge nicht erhalten hätte.
Das Abstellen auf eine sog. Unredlichkeit zeigt genau das Problem im Rahmen des Beschäftigung mit Erbschleichen auf. Denn das Erbrecht ist eigentlich eine nuda spes, also eine sog. nackte Hoffnung. Das heißt, dass ein Erbe eben gerade keinen gesicherten Anspruch auf ein wie auch immer geartetes Erbe hat. Der Erblasser darf bis zum Schluss frei über sein Vermögen verfügen und damit beispielsweise langjährige Lebenspartner oder die Familie enttäuschen. Die Grauzone des Erbschleichens wird aber wohl dort überschritten, sobald ein Dritter, häufig aber auch ein Familienangehöriger eine Willensschwäche oder eine Krankheit des Erblasser zu seinen Gunsten ausnutzt, den Erblasser unter Druck setzt oder sich im einschmeichelt und potentielle Erben verunglimpft. Erbschleichen gibt es in einer ganzen Bandbreite von Fallgestaltungen. Handeln aus Freundschaft oder im Rahmen einer Pflegesituation fallen dagegen häufig nicht in diesen Bereich.
Über die Gründe für eine Zunahme von Erbschleicherei darf man spekulieren. Sicherlich liegt ein wesentlicher Grund darin, dass einerseits der feste Familienverbund häufig aufgelöst ist, was nicht nur zu einem vermehrten Singledasein in jungen Jahren, sondern auch zu einer vergrößerten Einsamkeit alter Leute führt. Großeltern leben nicht mehr automatisch im Haus ihrer Kinder. Dieses Problem wird dadurch verstärkt, dass Senioren immer älter werden. Dadurch wird die Lebensspanne einer möglichen Einsamkeit vergrößert. Ebenso wird die Pflege nunmehr immer verstärkter aus dem Familienkreis ausgelagert und auf Dritte übertragen, denen ein persönliches Interesse fehlt. Das Fehlen echter Ansprechpartner für ältere Menschen ist ein Hauptgrund für Erbschleicherei.
Gesellschaftlich und praktisch gesehen gibt es viele Negativauswirkungen, die Betroffene bei Erbschleicherei befürchten müssen: Isolierung, Besuchsverbote für Angehörige, Gehirnwäsche, Wohnsitzwechsel, Beeinträchtigung des Vermögens und unzureichende Pflege. Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen.
Umgekehrt stellt der Gesetzgeber den Betroffen nur geringere gesetzliche Handlungsspielräume zur Verfügung, sodass gerade in diesem Bereich eine fundierte juristische Beratung notwendig erscheint. Reagieren Angehörige zu forsch, so spielen sie evtl. sogar dem Erbschleicher in die Hände, da dieser den potentiellen Erblasser noch weiter auf seine Seite bringen kann.
Immer berücksichtigt werden sollte die Möglichkeit eine Vorsorgevollmacht als Möglichkeit, die Situation des Erbschleichens zu verhindern. Eine ähnliche Wirkung kann ein bindender Erbvertrag als Alternative zu einem einseitigen Testament darstellen. Ebenso muss in diesem Zusammenhang immer das Betreuungsrecht im Auge behalten werden. Erbschleicherei ist häufig dann zu beobachten, wenn eine Betreuung relevant sein könnte.
Zivilrechtliche Möglichkeiten gegen Erbschleicherei gibt es daneben nur in bestimmten Einzelfällen, also beispielsweise wenn gegen ein gesetzlichen Verbot bei Vorteilsannahme verstoßen wird (§ 134 BGB), sich Rechtsgeschäfte als sittenwidrig darstellen (§ 138 BGB), eine testamentarische Verfügung angefochten werden kann (§ 2078 BGB) oder der Gesetzgeber Vermögenszuwendungen an bestimmte Personengruppen (Stichwort Heimgesetz) ausschließt. Noch enger sind strafrechtliche Möglichkeiten, die insbesondere mit Blick auf Tatbestände des Vermögensschutzen (§ 266 StGB) häufig daran scheitern, dass der Betroffene freiwillig Vermögensverfügungen tätigt.