Ein Testament ist zunächst nach seinem individuellen Inhalt auszulegen, unter Berücksichtigung des Willens des Erblassers, der darin in irgendeiner Form zum Ausdruck kommen muss. Nur wenn eine solche Auslegung keinen entgegenstehenden Willen erkennen lässt, kann und darf zur Realisierung einer letztwilligen Verfügung auf gesetzliche Auslegungsvorschriften zurückgegriffen werden. Dieses Problem stellt sich auch im Rahmen der Bestimmung von Ersatzerben.
Damit hatte sich auch das OLG München in einem Beschluss vom 4.3.2009 – 31 Wx 73/08 = BeckRS 2009, 08378 auseinanderzusetzen. Es hatte dabei über die Erbenstellung zweier Enkelkinder einer Verstorbenen zu entscheiden. Die Erblasserin hatte die Mutter der beiden Enkelkinder als eines ihrer drei Kinder zur Alleinerbin eingesetzt. Nachdem aber diese Tochter die Erbschaft ausgeschlagen hatte, beriefen sich die Enkelkinder auf ihre Ersatzerbenstellung. Diese ergebe sich aus der Anwendung der Auslegungsregel gem. § 2069 BGB, wonach Abkömmlinge eines bedachten Abkömmlings im Zweifel Ersatzerben sind, also bei Wegfall des ursprünglich bedachten Erben insoweit bedacht sind, als sie nach der gesetzlichen Erbfolge an dessen Stelle treten würden. Hingegen machten die beiden im Testament nicht bedachten Geschwister geltend, mit der Ausschlagung der Erbschaft durch die vormalige Alleinerbin seien sie je zur Hälfte gesetzliche Erben geworden. Eine Einsetzung von Ersatzerben habe die Erblasserin ausdrücklich ausgeschlossen, da sie in dem vor einem Notar errichteten Testament erklärt habe: „Ersatzerben will ich heute ausdrücklich nicht benennen“. Damit sei gerade auch die Anwendung des § 2069 BGB ausgeschlossen worden.
Das OLG München wich von der früheren Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichtes (vgl. FGPrax 2005, 71) ab, indem es entschied, dass eine solche, routinemäßig in notariell errichteten Testamenten enthaltene Erklärung, nicht zum Ausschluss der Ersatzerbfolge im Sinne des § 2069 BGB führt. Denn eine solche Erklärung bringe nur zum Ausdruck, dass eine ausdrückliche Ersatzerbenbestimmung zum aktuellen Zeitpunkt nicht gewollt ist. Es sei darin aber kein Wille erkennbar, die Auslegungsregel des § 2069 BGB nicht anzuwenden. Ein Notar würde nämlich in seiner Belehrung darauf hinweisen, dass eine solche Abweichung von gesetzlichen Bestimmungen ausführliche Individualregelungen erfordert. Solche Regelungen seien aber in dem vorliegenden notariellen Testament nicht enthalten.
Im Ergebnis wurde damit eine Miterbenstellung der Enkelkinder als Ersatzerben neben den beiden Kindern der Erblasserin als gesetzliche Erben bejaht.
Tanja Stier
Rechtsanwältin