Sinn und Zweck: Die Anordnung der Vor- und Nacherbschaft nach §§ 2100 ff. BGB ist eine testamentarische Gestaltungsmöglichkeit, um insbesondere Unternehmen über Generationen hinweg im Nachlass und damit in der Familie zu erhalten. Grundlegend ist die Erhaltung des Unternehmens für eine oder mehrere Generationen. Die Fortführung des Unternehmens steht im Vordergrund. Der Unternehmer gibt sein Unternehmen in mehreren Vor- und Nacherbenstufen weiter und zwar in der Regel dann, wenn er Gesellschafter oder alleiniger Eigentümer eines Unternehmens ist. Die Vor- und Nacherbschaft kann durch eine Testamentsvollstreckung gestützt werden. Diese Gestaltung ist insbesondere deshalb geeignet, weil es mit Blick auf Gesetzeslage und Rechtsprechung um einen rechtssicheren Bereich handelt, der dem Erblasser eine Gestaltung über mehrere Stufen ermöglicht.
Bei einer Gestaltung dieser Form der Unternehmensnachfolge sind vor allem folgende Punkte zu beachten:
Die Anordnung der Vor- und Nacherbschaft stellt eine strenge Beschränkung der Erben dar. Die Fortführung des Unternehmens steht im Vordergrund. Bei einer Vor- und Nacherbschaft muss deshalb der genaue Ablauf der Vor- und Nacherbschaftsstufen vorüberlegt werden.
Die Zielsetzung der Unternehmensfortführung sollte durch eine Testamentsvollstreckung unterstützt werden. Hierbei ist zu bedenken, dass der Testamentsvollstrecker dazu geeignet sein muss, die Geschicke des Unternehmens zu lenken. Weiterhin ist sinnvoll, auf die Bestimmung von Ersatztestamentsvollstreckern zu achten bzw. auf Nachfolgeklauseln.
Da die Erben durch die §§ 2100 ff. BGB stark beschränkt sind, werden diese sich durch Pflichtteilsansprüche zu schützen versuchen. Um eine wirtschaftliche Belastung des Nachlasses bzw. des Unternehmens zu verhindern, sollten Pflichtteilsverzichtsverträge verhandelt bzw. Pflichtteilsstrafklauseln eingebunden werden. Dies kann insbesondere auch durch erbvertragliche Regelungen erreicht werden. In diesen können die Pflichtteilsberechtigten durch Ausschüttungen aus der Vorerbschaft hinreichend abgesichert werden.
Weiterhin sollten Alternativen einer Vor- und Nacherbschaft, insbesondere im Bereich von Vermächtnislösungen diskutiert werden.
Ebenso muss die avisierte Regelung im Gesellschaftsvertrag umgesetzt werden. Bei Personengesellschaften müssen Vor- und Nacherbe dazu berechtigt sein, in die Gesellschaft einzutre-ten. Einfache Nachfolgeklauseln genügen. Qualifizierte Nachfolgeklauseln müssen mit Blick auf die möglichen Nacherben zugeordnet werden. Auch etwaige Eintrittsklauseln müssen auf die Vor- und Nacherben angepasst werden. Bei Kapitalgesellschaften ergeben sich in diesem Zusammenhang dagegen nur Probleme, soweit eine Einziehungs- oder Abtretungsklausel vorliegt.
Weiterhin muss die steuerliche Situation mit dem Mandanten besprochen werden, da eine Doppelbesteuerung von Vor- und Nacherbschaft erfolgt. Damit zusammenhängend sind die Besonderheiten der Vorerbschaftsmasse als eigenständiger Nachlass zu diskutieren.
Die Vor- und Nachteile einer Vor- und Nacherbschaft stellen sich wie folgt dar.
Ein Vorteil liegt darin, dass diese Regelung für den Unternehmer die größtmögliche Sicherheit mit Blick auf die Unternehmensfortführung darstellt. Nachteilig ist dagegen, dass diese Lösung sehr starr und wenig flexibel ist. Dies ist insbesondere darin erkennbar, dass mehrere Nacherbschaftsstufen hintereinander von Anfang an geplant werden müssen. Vorteilhaft ist dagegen, dass der Unternehmer die Möglichkeit hat, die zukünftige Gestaltung des Unternehms vorzugeben und zu gewährleisten, dass kein ungeeigneter Nachfolger in die Gesellschaft kommt bzw. die Fortsetzung der Gesellschaft gefährdet ist. Vor- und Nachteile ergeben sich desweiteren aus der denkbaren Anordnung der Testamentsvollstreckung. Ein Nachteil liegt darin, dass ein Vorerbe größere Probleme haben dürfte, neues Kapital in die Gesellschaft einzubringen, als ein vollwertiger Erbe. Ein weiterer Nachteil liegt darin, dass im Vorerbschaftsfall, sowohl der Vor-, als auch der Nacherbe bereits bezüglich des betroffenen Nachlasses mit Erbschaftssteuer be-lastet werden. Es findet eine sog. Doppelbesteuerung statt. Ein weiterer Nachteil liegt darin, dass die Vor- und Nacherbschaft für einen juristischen Laien häufig schwer nachvollzogen werden kann.
Stimm- und Gewinnverteilung: Bei der Betrachtung von Regelungen bezüglich Stimmrecht und Gewinnverteilung ist zwischen Personengesellschaft und Kapitalgesellschaft zu differenzieren.
Personengesellschaft:
Bei Eintritt des Vorerben in die Gesellschaft stehen diesem grundsätzlich die Gesellschafterrechte ohne Mitwirkung des Nacherben zu. Der Vorerbe muss allerdings den Nachlass ordnungsgemäß verwalten, § 2113 Abs.1 S.1 BGB. Eine unentgeltliche Verfügung des Vorerben ist gegenüber dem Nacherben unwirksam, § 2113 Abs.2 BGB. Eine gesonderte Regelung über die Stimmrechte ist nicht notwendig. Die Vorschrift des § 2113 Abs.1 BGB ist insoweit auch dann nicht anwendbar, wenn ein Grundstück im Gesellschaftsvermögen steht, denn das Stimmrecht bezieht sich direkt auf den Gesellschaftsanteil. Das Stimmrecht hängt damit im Wesentlichen von der gesellschaftsvertraglichen Gestaltung ab, sodass es der Erblasser mit den Mitgesellschafter zu Lebzeiten gesellschaftsvertraglich in der Hand hat, welche Stimmrechte eintretende Erben haben.
Die Gewinnverteilung ist für den Vorerben ein zentraler Punkt. Allerdings liegt das Problem darin, dass die Gesellschaft selbst bestimmen kann, welche Gewinne ausgezahlt oder thesauriert werden. Dem Vorerben stehen gemäß §§ 2111 Abs.1, 99, 100 BGB die Unternehmensgewinne für die Dauer der Vor-erbschaft zu. Damit ist der Vorerbe auf eine entsprechende Bilanzierung und eine gesellschaftsvertragliche Regelung zur Ent-nahme von Gewinnen angewiesen. Der Vorerbe ist dann insoweit beschränkt, wenn der Gesellschaftsvertrag eine teilweise Thesaurierung der Gewinne vorsieht. Soweit dies kaufmännisch geboten ist, hat der Vorerbe hierauf keinen Anspruch. Diese thesaurierten Gewinne sind dann als Erhaltungskosten eingeordnet, die der Vorerbe tragen muss. Der Erblasser kann daneben durch Testament bestimmen, dass der Vorerbe auch an den als Rücklage eingeordneten Gewinnen Teilhabe erhalten soll. Hierdurch erlangt der Vorerbe aber keinen Anspruch gegen die Gesellschaft. Dieser Anspruch setzt sich nur im Verhältnis zum Nacherben beim Eintritt des Nacherbfalls durch. Dies setzt voraus, dass der Vorerbe den Nacherbfall erlebt. Der Erblasser kann in einer letztwilligen Verfügung von Todeswegen die Gewinnverteilung selbst regeln.
Kapitalgesellschaft
Der Vorerbe kann ohne den Nacherben in der Regel alle Gesellschafterrechte ausüben. Als Nutzungen erhält er nach §§ 2111 Abs.1, 99, 100 BGB die Gewinnanteile bzw. Dividenden, die die Gesellschaft entsprechend der Ergebnisverwendungsbeschlüsse an die Gesellschaft ausschüttet. Es besteht also kaum ein Rege-lungsbedürfnis.
Alternative Anordnungen:
Mit Blick auf § 2191 BGB kann der Erblasser ein sog. befriste-tes Herausgabe-Vermächtnis anordnen. Wirtschaftlich wird ein mit der Vor- und Nacherbschaft vergleichbares Ergebnis erzielt. Der Nacherbfall wird dadurch ersetzt, dass die Befristung des Herausgabe-Vermächtnisses auf die Lebenszeit des Erbens gelegt wird. Das Vermächtnis fällt damit erst dann an, wenn der Erbe verstirbt. Es ist allerdings auch ein anderer Zeitpunkt wählbar. Das befristete Herausgabe-Vermächtnis kann sich auf einen einzelnen Nachlassgegenstand, also beispielsweise die Unternehmensbeteiligung, oder den gesamten Nachlass beziehen. Der Vermächtnisnehmer ist dabei weniger geschützt, als der Nacherbe, allerdings erwirbt er ein Anwartschaftsrecht. Dies ist mit einem Schadenersatzanspruch nach § 160 Abs.1 BGB verbunden. Der Vermächtnisnehmer verfügt allerdings in der Regel kaum über Informationen. Der Nacherbe ist durch eine größere Bandbreite gesetzlicher Regelungen geschützt. Dieser Rechtsbereich ist zwischenzeitlich durch die Rechtsprechung auch rechtssicher ausgestaltet. Bei einem befristeten Herausgabe-Vermächtnis kann der Erbe frei verfügen. Gesetzliche Verfügungsbeschränkungen existieren nicht. Der Erblasser kann diesen Überlegungen Rechnung tragen, indem er bei-spielsweise dem Vermächtnisnehmer Kontrollrechte einräumt. Es erfolgt anders als bei einer Vor- und Nacherbschaft auch keine Trennung von Vermögensmassen. Das Vermächtnis ist als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig. Steuerlich findet ein Gleichlauf von Vor- und Nacherbschaft und dem befristeten Herausgabe-Vermächtnis statt. Es findet grundsätzlich eine Dop-pelbesteuerung statt.
Eine weitere Möglichkeit ist das Nießbrauchvermächtnis. Der Erblasser bestimmt einen Erben. Dieser wird durch die Anordnung eines Vermächtnisses zugunsten eines Dritten beschwert. Der Dritte erhält den Nießbrauch an einem Nachlassgegenstand oder an dem Gesamtnachlass als Vermächtnis. Das heißt, dass der begünstigte Dritte nicht die Nachlassgegenstände selbst erhält, sondern ein befristetes dingliches Recht, die Nutzungen des belasteten Gegenstandes oder Rechts zu ziehen. Ein Nießbrauchrecht an Unternehmensteilen ist zulässig. Der Nießbrauchberechtigte wird weder Eigentümer noch ist er verfü-gungsberechtigt. Er hat lediglich einen Anspruch auf die Nutzungen. Es handelt sich damit um eine relativ schwache Stellung. Allerdings entfällt die bereits dargestellte Doppelbesteuerung als Nachteil. Bezüglich des Nießbrauchs an einem Gesellschaftsanteil ist dem Nießbraucher ein Entnahme-Anspruch zu gewähren. Im Rahmen des Nießbrauchs muss der Erblasser unterscheiden, ob der Nießbraucher zugleich das Unternehmen fortführen soll oder lediglich eine finanzielle Absicherung zu erhalten hat. Im letzteren Fall bietet sich eine Kombination mit einer Testamentsvollstreckung an. Der Erbe wird Gesellschafter. Da der Nießbraucher damit lediglich die Ausübungsrechte erhält, muss geregelt sein, dass der Erbe als Gesellschafter nicht mit Zahlungen aus seinem Privatvermögen belastet wird. Gleiches gilt für die Frage der Mitwirkungs- und Stimmrechte.
Denkbar ist auch ein Unterbeteiligungsvermächtnis. Der Erblasser legt dieses Vermächtnis dem Erben auf und zwar im Rahmen einer Verpflichtung, einem Dritten eine Unterbeteiligung an einem Gesellschaftsanteil einzuräumen. Diese Gestaltungsvariante ist nur bei Gesellschaftsanteilen denkbar. Damit wird der Unterbeteiligte wirtschaftlich an den Erträgen des Gesellschaftsanteils beteiligt, hat aber keinen Einfluss auf die Gesellschaft. Das Unterbeteiligungsvermächtnis ist sowohl bei Per-sonengesellschaften, als auch Kapitalgesellschaften zulässig. Dabei tritt der Erbe in die Gesellschaft ein. Er bildet dann mit dem Unterbeteiligten eine Innengesellschaft in Form eine GBR. Die Unterbeteiligung entsteht erst, wenn der Begünstigte und der mit dem Vermächtnis belastete Erbe einen Gesellschaftsvertrag abschließen. Dabei ist in Abweichung zu § 709 Abs.1 BGB zu beachten, dass die Geschäftsführung nur dem Erben als Ge-sellschafter zusteht. Der Unterbeteiligte hat damit eine relativ schwache Stellung. Diese Gestaltung ist damit vor allem dazu geeignet, Erben oder Pflichtteilsberechtigte abzufinden. Der Unterbeteiligte nimmt an den Gewinnen der Gesellschaft teil. Eine Verlustbeteiligung ist grundsätzlich auch denkbar.