Das Gesetz möchte die pflichtteilsberechtigten Angehörigen des Erblassers davor schützen, dass der Erblasser bereits vor seinem Tod Vermögenswerte entzieht und auf diese Weise den Pflichtteilsanspruch aushöhlt. Aus diesem Grund kann bei Schenkungen des Erblassers an Dritte ein Pflichtteilsergänzungsanspruch bestehen.
Welches Recht verleiht der Pflichtteilsergänzungsanspruch?
Der Pflichtteilsberechtigten kann vom Erben als Ergänzung seines Pflichtteils den Betrag verlangen, um den sich sein Pflichtteil erhöhen würde, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet würde. Dieser Anspruch kann auch dann geltend gemacht werden, wenn der Pflichtteilsberechtigte Erbe oder Vermächtnisnehmer geworden ist und die Zuwendung ausgeschlagen hat oder soweit der Pflichtteilsergänzungsanspruch den Wert dessen übersteigt, was ihm über den Pflichtteil hinaus zugewendet worden ist.
Wann sind Schenkungen ausgleichspflichtig?
Berücksichtigt werden nur Schenkungen innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Tod des Erblassers. Dabei sind Schenkungen bei einem Erbfall innerhalb des ersten Jahres nach der Zuwendung mit dem vollen Wert der Erbschaft hinzuzurechnen. Danach vermindert sich der Wert, der für die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs anzusetzen ist, mit jedem Jahr um zehn Prozent. Ausgenommen sind „Anstandsschenkungen“, d.h. Schenkungen zu bestimmten Anlässen, bei denen üblicherweise Schenkungen dieser Art und diesen Umfangs erbracht werden (z.B. Geburtstage) oder Schenkungen, die auf einer sittlichen Verpflichtung des Erblassers beruhen.
Haftet auch der Beschenkte für den Pflichtteilsergänzungsanspruch?
Der Pflichtteilsergänzungsanspruch wird in erster Linie gegen den Erben gerichtet. Unter manchen Voraussetzungen ist der Erbe aber nicht zu einer Pflichtteilsergänzung verpflichtet, z.B. weil er infolge einer Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenz nur beschränkt haftet oder weil eine Ausgleichung den eigenen Pflichtteilsanspruch des Erben beschränken würde. In diesem Fall kann von dem Beschenkten Herausgabe des Geschenkes zur Erfüllung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs verlangt werden. Umstritten ist aber vor allem, ob diese Haftung auch dann besteht, wenn der Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen den Erben wegen einer Zahlungsunfähigkeit des Erben nicht realisiert werden kann.