Auch Einzeltestamente von Ehegatten können ausnahmsweise wechselbezüglich sein

Wechselbezügliche Verfügungen im Sinne des § 2270 BGB werden in der Regel bei einem gemeinschaftlichen Testament angenommen. In einem gemeinschaftlichen Testament können die Ehegatten ihren letzten Willen gemeinsam in einem Dokument bekunden, was die Errichtung des Testaments insgesamt erleichtert. Von wechselseitigen Verfügungen spricht man dann, wenn die Ehegatten ihre jeweiligen letztwilligen Verfügungen voneinander abhängig machen.
Wie verhält es sich jedoch, wenn die Ehegatten zwei getrennte Einzeltestamente errichten, in denen sie sich gegenseitig als Alleinerben einsetzen?

Hierüber hatte kürzlich das Landgericht München II zu entscheiden (LG München II, Beschluss vom 28.01.2008). In dem Rechtsstreit hatten sich die Erblasserin und ihr Ehemann in zwei getrennten Einzeltestamenten, die jedoch einen fast identischen Wortlaut hatten, am selben Tag und auf demselben Briefpapier geschrieben waren, als Erben eingesetzt. In einem Nachtragstestament, das von beiden unterschrieben war, hatten die Erblasserin und ihr Ehemann eine dritte Person zum Alleinerben für den Fall des gleichzeitigen Versterbens eingesetzt. Jahre später setzte die Erblasserin den Verlobten ihrer Tochter als Alleinerben ein. Grund hierfür waren die über Jahrzehnte andauernden außerehelichen Beziehungen ihres Ehemannes. Nach dem Tod der Erblasserin stritten der Verlobte der Tochter und der Ehemann der Erblasserin darum, welche letztwillige Verfügung denn nun gültig sei.

Prinzipiell können wechselbezügliche Verfügungen nach § 2270 BGB einseitig zu Lebzeiten beider Ehegatten durch notariell beurkundete Erklärungen widerrufen werden. Ein Widerruf durch einseitiges Testament scheidet im Falle der wechselbezüglichen Verfügungen aus.

Dementsprechend kommt es hinsichtlich des Widerrufes darauf an, ob man auch bei Einzeltestamenten eine Wechselbezüglichkeit annehmen kann.

Das LG München II hatte im vorliegenden Fall die Wechselbezüglichkeit der Verfügungen bejaht. Hierzu führt das Landgericht München II aus, dass man in einem solchen Fall darauf abstellen muss, ob sich der Wille zum gemeinschaftlichen Testieren aus beiden Testamenten und außerhalb liegenden Umständen zumindest andeutungsweise ergibt. Für diese Auslegung kann man verschiedene Kriterien heranziehen. Entscheidend sind unter anderem, die Formulierung, die gewählt wurde, die gleichzeitige Errichtung der Testamente sowie die inhaltliche Übereinstimmung. Im vorliegenden Fall waren die verwendeten Formulierungen nahezu identisch. Außerdem wurde eine einheitliche Gestaltung gewählt. Daraus ist für das Landgericht München II ersichtlich, dass die Eheleute in Absprache und Kenntnis des Testierwillens des anderen gehandelt haben. Als Kriterium für die Frage, ob vorliegend von den Ehepartnern die Wechselbezüglichkeit der Verfügungen beabsichtigt war, wurde auch das gemeinsam unterzeichnete Nachtragstestament, in dem die Eheleute eine dritte Person als Alleinerben im Falle des gemeinsamen Versterbens benannt hatten, herangezogen. Dies zeige, so das Landgericht München II, dass die Eheleute sich gegenseitig als Erben einsetzen wollten, wenn sie zu unterschiedlichen Zeitpunkten sterben würden.

Das OLG Braunschweig hatte in einem frühren Urteil hingegen ausgeführt, dass allein der Umstand, dass die Testamente am selben Tag und am selben Ort errichtet worden seien sowie einen nahezu identischen Wortlaut aufzeigen, noch nicht ausreiche, wechselbezügliche Verfügungen anzunehmen. Vielmehr müsse noch ein Hinweis hinzukommen, dass es daneben noch ein gleich lautendes Testament des Ehegatten gibt oder dass dem Testament ein gemeinsamer Entschluss der Ehegatten zugrunde liegt.

Wichtig ist die Frage der Wechselbezüglichkeit der Verfügungen auch für die Bindungswirkung. Die Bindungswirkung der wechselbezüglichen Verfügungen erstreckt sich nämlich nicht nur auf das Vermögen des Erstversterbenden, sondern auch auf das Vermögen des Überlebenden.

Tanja Stier
Rechtsanwältin

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