Der Pflichtteilsentzug durch den Erblasser

Der Pflichtteilsentzug durch einen Erblasser
Abschnitt 1: Der Pflichtteilsanspruch

Was ist ein Pflichtteilsanspruch?
Der Pflichtteilsanspruch ist eine gesetzliche Einschränkung der in Art.14 GG (Grundgesetz) garantierten Testierfreiheit zugunsten eines oder mehrerer Pflichtteilsberechtigten. Das heißt, dass ein Erblasser diejenigen, die das Gesetz mit einem Pflichtteilsanspruch begünstigt, nicht einseitig von einem Erbfall ausschließen kann. Mit dem Pflichtteilsanspruch werden die Pflichtteilsberechtigten wirtschaftlich am Nachlass beteiligt, ohne dass sie Erben werden.

 Warum gibt es den Pflichtteilsanspruch?
Hintergrund ist die Überlegung, dass ein Erblasser über seinen Tod hinaus bestimmte Sorgfaltspflichten für seine nahe Angehörigen wahrnehmen muss. Der Gesetzgeber hat nicht akzeptiert, dass beispielsweise eine Ehe 30 Jahre lang besteht, der Ehemann Vermögen erwirtschaftet, während die Ehefrau als Hausfrau gemeinsame Kinder erzieht und der Ehemann mittels Testament einen Dritten als Alleinerben einsetzt, ohne dass die Ehefrau einen Teilanspruch auf sein Vermögen hat. Diese Gefährdungslage wird durch das Pflichtteilsrecht aufgefangen. Daraus folgen zwei Grundüberlegungen.
Zum einen sind nur die nächsten Angehörigen pflichtteilsberechtigt. Andererseits ist das gesetzlich geregelte Pflichtteilsrecht kaum durch eine individuelle Regelung des Erblassers angreifbar. Es stellt sozusagen den Mindeststandard einer wirtschaftlichen Berücksichtigung naher Angehöriger dar.
Wer ist Pflichtteilsberechtigter?
Pflichtteilsberechtigt sind die nächsten Angehörigen des Erblassers, wenn sie mittels Verfügung von Todes wegen ((Ehegatten)Testament oder Erbvertrag) von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen sind. Sobald beispielsweise ein Testament vorliegt, gilt diese gesetzliche Erbfolge nicht mehr, soweit das Testament reicht. Entsprechend der gesetzlichen Erbfolge wären dagegen die nächsten Angehörigen als Erben vorgesehen. Mit einem Testament kann dagegen auch ein Dritter begünstigt werden. Die nächsten Angehörigen des Erblassers sind die Abkömmlinge (Kinder), die Eltern und der Ehegatte.
Wie hoch ist der Pflichtteilsanspruch?
Der Pflichtteilsanspruch bemisst sich nach der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils, wobei der Wert des Nachlasses zur Zeit des Erbfalls maßgeblich ist. Der Pflichtteilsanspruch ist ein Geldanspruch und ist nicht auf Übertragung bestimmter Nachlassgegenstände gerichtet. Gilt in einer Ehe beispielsweise der gesetzlich vorgesehene Güterstand der Zugewinngemeinschaft, so erbt die Ehefrau des verstorbenen Gatten neben den Kindern die Hälfte des Nachlasses. Wird die Ehefrau dadurch von dieser gesetzlichen Erbfolge, indem der Ehemann mittels Testament die Kinder als Alleinerben einsetzt, so steht der Ehefrau ein Pflichtteilsanspruch in Höhe von ein Viertel des Nachlasses, allerdings auszuzahlen in Geld, zu.
Warum und wann kommt ein Pflichtteilsentzug in Betracht?
Für einen Pflichtteilsentzug gibt es mehrere Gründe. Nahe liegend ist die Grundmotivation des Erblassers einem bestimmten Pflichtteilsberechtigten nicht einmal den gesetzlichen Pflichtteil zuzusprechen, beispielsweise wenn seit Jahren persönliche Differenzen bestehen. Auf der anderen Seite steht das altruistische Motiv im Vordergrund, den tatsächlich als Erben Eingesetzen noch mehr begünstigen zu können. Der auf Geld gerichtete Pflichtteilsanspruch mindert nicht nur das Erbe selbst, sondern kann für den Erben auch dort eine besondere Belastung darstellen, wo kein Geld, sondern nur schwer veräußerbares Sachvermögen (beispielsweise ein Eigenheim als Hauptbestandteil des Nachlasses) vererbt wird, das zur Auszahlung des Pflichtteils zu Geld gemacht werden müsste.
Zuletzt kann es im Einzelfall auch im Sinne des Pflichtteilsberechtigten sein, keinen Pflichtteil zu erhalten, beispielsweise, wenn der Pflichtteilsanspruch in einem Insolvenzverfahren des Pflichtteilsberechtigten ohnehin untergehen würde. 
Sieht der Gesetzgeber eine Möglichkeit vor, dass der Erbe und ein Pflichtteilsberechtigter gemeinsam und einvernehmlich den Pflichtteilsanspruch beseitigen?
Diese Möglichkeit wird beiden durch einen sog. Pflichtteilsverzicht als Vertrag gemäß § 2346 Abs.1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) eingeräumt. Mit diesem Vertrag ändern die Vertragsparteien (Erblasser und Pflichtteilsberechtigter) die erbrechtliche Sach- und Rechtslage. Dieser Vertrag muss notariell beurkundet werden. Er kann nur zu Lebzeiten des Erblassers vereinbart werden.
Umstritten ist die Frage, ob ein Pflichtteilsverzicht auch ohne ausdrückliche Bezugnahme in der Verfügung von Todes wegen zulässig ist, beispielsweise wenn sich die einzige Tochter vom Vater als sog. Schlusserbin einsetzen lässt und ihre Mutter zuerst Vollerbin des Ehegatten werden soll. Stirbt zuerst der Vater, so wird nur die Mutter Erbin. Die Tochter hätte einen Pflichtteilsanspruch. Stirbt dann die Mutter, so erbt die Tochter das gesamte Vermögen. In dieser Situation ist es denkbar, dass die Tochter für den ersten Erbfall (den Tod des Vaters) auf ihren Pflichtteilsanspruch verzichtet, sodass die Mutter nach dem Tod des Vaters nicht mit einem solchen Anspruch belastet wird.

Abschnitt 2: Der gesetzlich geregelte Pflichtteilsentzug
Hat der Gesetzgeber Fälle geregelt, in denen der Erblasser dem pflichtteilsberechtigten Abkömmling ohne dessen Zustimmung den Pflichtteilsanspruch entziehen darf?
Solche Fälle hat der Gesetzgeber tatsächlich vorgesehen, weil ansonsten die grundgesetzlichen Rechte des Erblassers zu sehr beschränkt wären. Der gesetzlich geregelte Pflichtteilsentzug ist in § 2333 BGB niedergelegt. Die dort genannten Fallgruppen können nicht auf vergleichbare Fälle übertragen werden. In folgenden Situationen ist ein Pflichtteilsentzug zulässig.
Nach § 2333 Nr.1 BGB kann der Pflichtteil entzogen werden, wenn der Abkömmling dem Erblasser, dessen Ehegatten oder einem anderen Abkömmling nach dem Leben trachtet. Der Pflichtteilsberechtigte muss ernsthaft ein Tötungsdelikt in Gang bringen.
§ 2333 Nr.2 BGB regelt zuerst den Fall, dass der pflichtteilsberechtigte Abkömmling den Erblasser vorsätzlich körperlich misshandelt. Grundsätzlich muss die körperliche Misshandlung ein gewisses Gewicht haben, wobei auch das Verhältnis zum Wert des Nachlasses eine Rolle spielt. Liegt der zu entziehende Pflichtteilsanspruch beispielsweise im siebenstelligen Bereich, so wird eine Ohrfeige kaum ausreichen, die Voraussetzung des § 2333 Nr.2 BGB zu erfüllen. Eine bloße seelische Misshandlung, insbesondere Streit und Ärger, genügen nicht, um einen Fall des § 2333 Nr.2 BGB zu rechtfertigen. Diese Vorschrift erfasst aber auch solche Fällen, in denen der Pflichtteilsberechtigte den Ehegatten körperlich misshandelt, allerdings nur, wenn er selbst Abkömmling der misshandelten Person ist.
Die Vorschrift des § 2333 Nr.3 BGB enthält die Variante, dass sich der Abkömmling eines Verbrechens oder eines schweren, vorsätzlichen Vergehens gegenüber dem Erblasser oder des Ehegatten schuldig macht. Entscheidend ist, dass der Abkömmling in die Rechtsgüter der beiden Genannten eingreift, beispielsweise indem er gegenüber deren Vermögen einen Diebstahl begeht. Ein Vergehen ist eine Straftat. Vergehen, die einer besonders hohen Strafandrohung unterliegen, heißen Verbrechen.
§ 2333 Nr.4 BGB regelt den Fall, dass der Abkömmling gegenüber dem Erblasser seine gesetzliche Unterhaltspflicht verletzt. Auch das Kind ist beispielsweise gegenüber der bedürftigen Mutter unterhaltspflichtig. Das ist vor allem dann relevant, wenn das Kind den im Alter bedürftigen Erblasser keine Unterstützung gewährt. Dieser Sachverhalt wird in der Praxis vor allem dort bedeutsam, wenn der bedürftige Erblasser von einem leistungsfähigen Abkömmling nicht unterstützt wird und später wieder zu Geld kommt. Denn in diesem Fall hat das Kind im Erbfall Interesse an einem wirtschaftlich attraktiven Pflichtteil.
Die letzte Alternative in § 2333 Nr.5 BGB ist erfüllt, wenn der Abkömmling einen ehrlosen oder unsittlichen Lebenswandel führt. Dieser Tatbestand ist aufgrund der Bezugnahme auf gesellschaftlich veränderbare Maßstäbe immer anhand des aktuellen Wertekatalogs zu prüfen, wobei es auf die Sichtweise des Erblassers mit ankommt. Geschützt wird die Familienehre. Da § 2333 Nr.5 BGB auf den Lebenswandel als Bezugspunkt verweist, genügt eine einmalige Verfehlung nicht. Es muss sich um eine ständige Verfehlung handeln. Wandelt sich der Lebenswandel des Abkömmlings vor dem Erbfall, so ist nach § 2346 Abs.4 BGB ein Pflichtteilsentzug nicht mehr möglich.

Hat der Gesetzgeber Fälle geregelt, in denen der Erblasser dem pflichtteilsberechtigten Ehegatten ohne dessen Zustimmung den Pflichtteilsanspruch entziehen darf?
Diesen Fall regelt § 2335 BGB, wobei die Varianten in § 2335 Nr.1- 4 BGB den dargestellten Tatbeständen in § 2333 Nr.1-4 BGB entsprechen. Allerdings wurde § 2335 Nr.5 BGB nicht mit übernommen. Demnach ist ein Pflichtteilsentzug ebenfalls gegenüber dem Ehegatten zulässig und denkbar.

Hat der Gesetzgeber Fälle geregelt, in denen der Erblasser den pflichtteilsberechtigten Eltern ohne deren Zustimmung den Pflichtteilsanspruch entziehen darf?
Die Antwort ist in § 2334 BGB enthalten. Es wird auf die Vorschrift des § 2333 Nr.1, 3 und 4 BGB Bezug genommen. Nicht ausreichend sind dagegen die Verstöße in § 2333 Nr.2 und 5 BGB. So kann ein Kind seinen Eltern im Pflichtteilsrecht demnach keinen ehrlosen und unsittlichen Lebenswandel vorwerfen. Auch dem pflichtteilsberechtigten Elternteil kann ein Kind grundsätzlich den Pflichtteil entziehen.

Auf welchen Zeitpunkt kommt es für das Vorliegen der Voraussetzungen eines solchen Pflichtteilsentzugs an?
Grundsätzlich muss der Grund für den Pflichtteilsentzug zu dem Zeitpunkt bestehen, an dem mit Blick auf § 2336 Abs.2 BGB die letztwillige Verfügung (beispielsweise das Testament) errichtet worden ist. Das spätere Hinzutreten von anderen Gründen reicht für sich genommen nicht aus. Es müsste eine neue, letztwillige Verfügung gemacht werden.
Wenn der Erblasser dem Pflichtteilsberechtigten gemäß § 2337 S.1 BGB seine Verfehlung verziehen hat, so kann darauf kein Pflichtteilsentzug mehr gestützt werden. Eine solche Verzeihung setzt zum einen Kenntnis voraus. Man kann eine Verfehlung nur verzeihen, wenn man von ihr weiß. Andererseits kann eine Verzeihung nicht nur ausdrücklich, sondern auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen, wobei eine bloße Kontaktaufnahme nicht genügt. Zwar kann die Verzeihung gegenüber Dritten geäußert werden, nicht aber durch Dritte.

Welche Anforderungen müssen formell bei einem Pflichtteilsentzug eingehalten werden?
Gemäß § 2336 Abs.1 BGB muss die Pflichtteilsentziehung in einem (Ehegatten)Testament oder einem Erbvertrag erfolgen. Der Pflichtteilsentzug muss zwar nicht wörtlich in der letztwilligen Verfügung genannt sein. Allerdings muss der Grund für die Pflichtteilsentziehung aufgeführt werden, wobei jedenfalls die Angabe eines zutreffenden Kernsachverhalts erforderlich ist. Dagegen muss der Erblasser den Sachverhalt nicht auf eine der Varianten der Pflichtteilsentziehung beziehen.

Abschnitt 3: Die Pflichtteilsunwürdigkeit
Gibt das Gesetz den Erben die Möglichkeit, gegen einen Pflichtteilsanspruch nach dem Tod des Erblassers vorzugehen?
Eine solche Option enthält die Vorschrift des § 2339 BGB. Sind die Voraussetzungen dieser Regelung eingehalten, so ist der Pflichtteilsanspruch nach § 2345 Abs.2 BGB anfechtbar. Das heißt auch, dass die Unwürdigkeit nicht im (Ehegatten)Testament oder Erbvertrag erwähnt werden.

Wann liegt eine Pflichtteilsunwürdigkeit vor?
§ 2339 BGB zählt vier Fallgruppen auf:
Tötung oder Tötungsversuch durch den Pflichtteilsberechtigten mit der Folge, dass der Erblasser keine letztwillige Verfügung errichten oder aufheben kann,
vorsätzliche und widerrechtliche Verhinderung der Errichtung oder Aufhebung einer letztwilligen Verfügung durch den Erblasser,
Verhinderung der Errichtung oder Aufhebung einer letztwilligen Verfügung des Erblassers mittels arglistige Täuschung oder widerrechtliche Drohung,
Straftat gemäß §§ 267, 271-274 BGB bezüglich einer letztwilligen Verfügung des Erblassers.
Allen vier Tatbeständen ist gemeinsam, dass in diesen Fällen der Erblasser an einer Abänderung seines letzten Willens gehindert wird. Die letzte Variante betrifft insbesondere Sachverhalte, bei denen der Pflichtteilsberechtigte eine letztwillige Verfügung fälscht oder vernichtet.

Wie ist das Verhältnis zwischen Pflichtteilsentziehung und Pflichtteilsunwürdigkeit?
Die Pflichtteilsunwürdigkeit spielt nur dann eine Rolle, wenn der Erblasser eine pflichtteilsberechtigte Person enterbt, aber nicht zugleich wirksam den Pflichtteil entzogen hat.

Abschnitt 4: Verlust des Pflichtteils durch Ereignisse nach dem Erbfall
Inwieweit kann der Pflichtteilsberechtigte selbst entscheiden, ob er den Pflichtteilsanspruch überhaupt wahrnimmt?
Der Pflichtteilsberechtigte kann den Pflichtteilsanspruch zwar nicht ausschlagen, er kann aber mittels Vertrag mit den Erben auf diesen Pflichtteil verzichten, indem er einen Erlassvertrag abschließt. Ein solcher Vertrag gemäß § 397 BGB ist formfrei möglich, wenn er nach dem Erbfall geschlossen wird. Ein Vertragsschluss vor dem Erbfall bedarf dagegen notarieller Form.

Kann der Pflichtteilsberechtigte den Pflichtteilsanspruch auch ungewollt nach dem Erbfall verlieren?
Wie jeder schuldrechtliche Anspruch unterliegt auch der Pflichtteilsanspruch der Verjährung. Das heißt, dass der Pflichtteilsberechtigte nach dem Ablauf einer gewissen Zeit seinen Anspruch nicht mehr gerichtlich durchsetzen kann. Die Verjährung ist als Einrede von Amts wegen bei Gericht zu berücksichtigen.

Auf welche Fristen muss ein Pflichtteilsberechtigter achten?
Der Pflichtteilsanspruch verjährt gemäß § 2332 BGB in drei Jahren. Diese Verjährungsfrist beginnt zu laufen, wenn der Pflichtteilsberechtigte Kenntnis von dem Eintritt des Erbfalls und von der ihn beeinträchtigenden letztwilligen Verfügung (ein Testament setzt beispielsweise einen Dritten als Erben ein) erlangt. Abhängig vom Einzelfall kann der Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist weiter ausgedehnt werden.

Abschnitt 5: Gestaltung einer Schmälerung des Pflichtteilsanspruchs
Wann sollte ein Erblasser versuchen, den Pflichtteilsanspruch durch Gestaltung zu schmälern?
Die obigen Ausführungen zeigen, dass es nur eng begrenzte Fälle gibt, in denen ein Erblasser ohne Mitwirkung des Pflichtteilsberechtigten erreichen kann, dass letzterer einen geringeren oder gar keinen Pflichtteilsanspruch erhält. Für den Erblasser ist das unbefriedigend, weil er sehenden Auges akzeptieren muss, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil seines Vermögens in die Hände des Pflichtteilsberechtigten fällt, nur weil dieser ein nahe stehender Angehöriger ist.
Mit diversen Gestaltungsmöglichkeiten kann dieses Ergebnis zumindest teilweise abgemildert, wenn nicht gar verhindert werden. Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass sich der deutsche Gesetzgeber ausdrücklich für den Pflichtteilsanspruch entschieden hat und eine Umgehung dieses Anspruchs durch Gestaltung deshalb nur begrenzt möglich ist.

Kann ein Erblasser den Pflichtteilsanspruch durch Schenkungen zu Lebzeiten verringern?
Grundsätzlich führt eine Vermögensminderung durch den Erblasser dazu, dass sich auch der Pflichtteilsanspruch vermindert. Will ein Erblasser den Pflichtteilsanspruch gänzlich zerstören, so sollte er sein Vermögen aufbrauchen und genießen. Das Problem dabei ist natürlich, dass der Erblasser noch genügend finanzielle Mittel für die verbleibende Lebensspanne benötigt. Daneben ist zu beachten, dass bei Schenkungen die §§ 2325 ff. BGB dem Erblasser Beschränkungen auferlegen, damit der Pflichtteilsanspruch nicht zu arg beeinträchtigt wird.

Welchen Zeitrahmen muss der Erblasser bei Schenkungen an Dritte beachten?
Schenkt der Erblasser einem Dritten (der auch späterer Erbe sein kann) Vermögen, so erhöht sich der Pflichtteil, wie wenn die Schenkung noch zum Nachlass zählen würde. Das ergibt sich aus § 2325 Abs.1 BGB und ist nur bei Anstandsschenkungen nach § 2330 BGB anders, die einen sozialen Hintergrund voraussetzen. Bei der Schenkung muss der zu beeinträchtigende Pflichtteilsberechtigte bereits vorhanden sein. So muss die später auftretende und enterbte Ehefrau mit dem Erblasser zum Zeitpunkt der Schenkung bereits verheiratet gewesen sein. Grundsätzlich sind Schenkungen der letzten zehn Jahre vor dem Erbfall berücksichtigungsfähig, wobei Schenkungen an den Pflichtteilsberechtigten ebenfalls, allerdings konträr, zu berücksichtigen sind. Ist die Schenkung berücksichtigungsfähig, so wird sie zum Nachlass hinzugerechnet. Damit erhöht sich der Pflichtteilsanspruch.

Welche Besonderheiten sind bei der Zehnjahresfrist zu berücksichtigen?
Im Regelfall läuft die Zehnjahresfrist ab dem Zeitpunkt, in dem der wirtschaftliche Leistungserfolg eintritt. Bei Grundstücken kommt es dagegen auf die Umschreibung im Grundbuch an. Denn erst mit der Eintragung des Beschenkten als Eigentümer ist dieser tatsächlich Vollrechtsinhaber geworden.
Besonderheiten geltend bei einem Vorbehalt der Nutzung des Geschenkten, insbesondere wenn sich der Erblasser ein Nießbrauchsrecht einbehält (dem Erblasser fließen beispielsweise die Mieten einer vermieteten und verschenkten Immobilie weiterhin zu). In diesem Fall versucht der Erblasser das Immobilieneigentum zwar loszuwerden, will sich aber nicht rechtlos stellen. Die Rechtsprechung akzeptiert das nicht, sodass die Zehnjahresfrist erst läuft, wenn der Erblasser die Genussmöglichkeit an dem Geschenk eingebüßt hat. Auch ein Wohnrecht wird beispielsweise wie ein Nießbrauch behandelt.
Bei Ehegatten beginnt bei Geschenken zwischen den Eheleuten die Zehnjahresfrist erst, wenn die Ehe geschieden ist.

Was gibt es für besondere Schenkungskonstellationen?
Ein Erblasser kann versuchen, eine Schenkung dadurch auszuschließen, indem er eine Gegenleistung dafür erhält. Denn eine Schenkung setzt begrifflich voraus, dass sie unentgeltlich erfolgt. Das geht aber nur soweit, als kein großes Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung vorliegt. Andernfalls liegt eine sog. gemischte Schenkung vor, die bei einer Anrechnung anteilig zu berücksichtigen ist.
Auch wenn ein Vertrag auf den Todesfall abgeschlossen ist (beispielsweise in Bezug auf ein Bankguthaben) liegt eine berücksichtigungsfähige Schenkung vor, weil das Vermögen dann nicht in den Nachlass fällt, sondern mittels rechtsgeschäftlicher Vereinbarung zum Zeitpunkt des Erbfalls automatisch auf den Beschenkten übergeht.
Entscheidet sich ein Erblasser dafür, eine sog. Zustiftung zu machen oder beispielsweise einer Stiftung oder einer anderen gemeinnützigen Organisation Geld zu spenden, so liegt ebenfalls eine Schenkung vor. Etwas anderes gilt, wenn der Erblasser zu Lebzeiten selbst eine Stiftung gründet und ihr gemäß §§ 80 ff. BGB Vermögen überträgt. Dann liegt zwar keine Schenkung im Sinne des § 2325 BGB vor. Die Rechtsprechung wendet diese Vorschrift aber wegen Vergleichbarkeit an.

Wie wird der Wert einer Schenkung berechnet?
Bei verbrauchbaren Sachen (auch Geld und Aktien) wird auf den Wert zum Zeitpunkt der Schenkung abgestellt. Grundstücke werden mit dem niedrigeren Wert angesetzt, wenn sich der Wert der Immobilie in dem Zeitraum zwischen Schenkung und Erbfall verändert hat. Auch die Inflation ist wertmäßig grundsätzlich zu berücksichtigen.

Kann der Pflichtteilsanspruch durch Einzahlungen in eine Lebensversicherung geschmälert werden?
Man unterscheidet Lebensversicherungen zu eigenen Gunsten und zugunsten Dritter (mit widerruflichem oder unwiderruflichem Bezugsrecht). Das eigene Bezugsrecht kann durch den Erblasser auch auf einen Dritten übertragen werden.
Die Prämienzahlungen könnten als Schenkung im Sinne des § 2325 BGB angesehen werden, wenn diese einem Dritten letztlich zugute kommen. Eine solche Schenkung kommt grundsätzlich in Betracht, wenn nicht ausnahmsweise eine Ausstattung oder eine unbenannte Zuwendung an den Ehegatten vorliegt (das sind besondere familiäre Vermögensübertragungen).
Als Geschenk könnte man dann entweder den Rückkaufswert der Lebensversicherung, die gezahlten Prämien oder den Anspruch auf die Versicherungssumme ansehen. Diese Orientierungspunkte bedingen sich gegenseitig, sodass in der Regel die eingezahlten Prämien, begrenzt durch die Versicherungssumme, den eigentlichen Bewertungsmaßstab darstellen. Es ist deshalb festzuhalten, dass auch bei Einzahlungen in eine Lebensversicherung eine Berücksichtigung gemäß § 2325 BGB in Betracht kommt und der Pflichtteilsanspruch nicht verhindert werden kann.

Inwieweit kann der Pflichtteilsanspruch dadurch geschmälert werden, dass eine Gegenleistung für die Vermögenszuwendung konstruiert wird?
Diese Möglichkeit besteht zwar grundsätzlich, widerspricht aber der gesetzgeberischen Wertung und ist deshalb angreifbar. Denkbar ist zuerst, dass eine angebliche Schuld festgestellt wird. In diesem Fall kann aber ein Scheingeschäft gemäß § 117 BGB vorliegen, das rechtlich keinen Bestand hat. Auch eine Vermögensübertragung als nachträglicher Ausgleich für unentgeltliche Arbeit oder Pflege kann in der Praxis nicht ohne weiteres durchgesetzt werden. Umgekehrt ist es dagegen unproblematisch, wenn eine anfängliche Schenkung des Erblassers beispielsweise mit einem nachträglichen Kaufpreis entgolten wird, da in dieser Situation der Nachlass durch den Kaufpreis profitiert und der Pflichtteilsanspruch nicht gefährdet wird. Jedenfalls besteht aber die Möglichkeit, in gewissen Grenzen den Wert der Gegenleistung bzw. der Vermögensübertragung so zu bewerten, dass für den Erblasser eine (geringfügige) Schmälerung des Pflichtteilsanspruchs möglich erscheint.

Inwieweit kann der Pflichtteilsanspruch zugunsten eines Ehegatten und zum Nachteil eines Abkömmlings geschmälert werden?
Für diese Situation ist immer ein Vergleich der drei gesetzlich zulässigen Güterstände (Zugewinngemeinschaft, Gütertrennung und Gütergemeinschaft) notwendig. Durch einen Wechsel zwischen den Güterständen kann der Umfang des Nachlasses und damit auch der Pflichtteilsanspruch in gewissen Grenzen geschmälert werden.
Das ist beispielsweise denkbar, indem die Eheleute von dem Güterstand der Zugewinngemeinschaft in den Güterstand der Gütergemeinschaft wechseln. Das ist vor allem dann interessant, wenn im Extremfall der eine Ehegatten viel Vermögen, der andere Ehegatten kein Vermögen hat. Denn durch den Güterstandswechsel fällt das Vermögen des einen Ehegatten in das gemeinschaftliche Vermögen der Gütergemeinschaft und steht zu Lebzeiten beiden Ehegatten zur Hälfte zu. Die Hälfte des Vermögens wird demnach ohne eine Schenkung darzustellen auf den anderen Ehegatten übertragen. Zu berücksichtigen ist in diesem Fall aber, dass sich die gesetzliche Erbquote zum Nachteil des Ehegatten und zugunsten der Abkömmlinge verändern kann. Diese Gestaltungsvariante birgt auch weitere Risiken, weil die Rechtsprechung vereinzelt einen Missbrauch annimmt, die Gütergemeinschaft auch eine Haftungsgemeinschaft darstellt und die Gefahr besteht, dass der „falsche“ Ehegatte zuerst stirbt.
Auch andere Wechselmöglichkeiten sind im Einzelfall sinnvoll. Dabei geht es grundsätzlich vor allem darum, dass sich die gesetzlichen Erbanteile der Abkömmlinge bei den einzelnen Güterständen unterscheiden können. Durch den Wechsel des Güterstands können Eheleute den Güterstand wählen, bei dem die gesetzliche Pflichtteilsquote am niedrigsten ist.
Eine Besonderheit gibt es bei der Zugewinngemeinschaft. Wird diese aufgelöst, so wird bei einem Wechsel in die Gütertrennung zu Lebzeiten der Eheleute ein Zugewinnausgleich durchgeführt, der nicht in den Bereich des § 2325 BGB fällt. Damit lässt sich der Nachlass des ausgleichspflichtigen Ehegatten schmälern. In diesem Fall könnten die Eheleute aber versucht sein, wieder in den Güterstand des Zugewinnausgleichs zurückzukehren, da dieser häufig insgesamt günstiger ist. Das nennt man dann Güterstandschaukel. Rechtlich ist das zwar grundsätzlich zulässig. Die Rechtsprechung erkennt darin aber abhängig vom Einzelfall auch einen Missbrauch.
Auch durch die Ehe bedingte Zuwendungen können den Nachlass nicht ungehindert schmälern, weil die Rechtsprechung solche eigentlich zivilrechtlich nicht als Schenkungen betrachtete Vermögenszuwendungen erbrechtlich dennoch in bestimmten Fällen dem Bereich des § 2325 BGB zuordnet.

Gibt es gesellschaftsrechtliche Möglichkeiten den Pflichtteilsanspruch zu schmälern?
Die Aufnahme einer Person als persönlich haftender Gesellschaft (Komplementär in einer Kommanditgesellschaft oder Gesellschafter in einer offenen Handelsgesellschaft bzw. Gesellschaft bürgerlichen Rechts) stellt grundsätzlich keine Schenkung dar, obwohl ein Gesellschafter durch seine Rechtsstellung wirtschaftliche Vorteile erlangen kann. Kritisch wird diese Regelungsmöglichkeit nur dann, wenn die Haftungsübernahme und der Arbeitseinsatz kein angemessenes Äquivalent enthalten. Bei Gesellschaftsanteilen stellt sich darüber hinaus immer die Frage, wie deren Wert zu bestimmen ist.

Wie kann man den Nachlass gestalten, damit er nicht für den Pflichtteilsanspruch maßgeblich ist?
Eine Möglichkeit ist die Regelung, dass der Erblasser, der zuvor selbst Vermögen erbt, bezüglich dieses Vermögens nicht abschließend Eigentümer wird, sondern nur Vorerbe. Ist das der Fall, so fällt das im Rahmen der Vorerbschaft erlangte Vermögen nicht in seinen Nachlass, sondern geht auf den Nacherben über, ohne dass sich der Pflichtteilsanspruch nur auf dieses Vermögen bezieht. Das Problem für den Erblasser liegt allerdings darin, dass die Rechtsstellung des Vorerben vielen Beschränkungen unter fällt und er selbst dadurch benachteiligt wird.

Wie kann der Pflichtteilsberechtigte im Rahmen des Erbfalls mittels letztwilliger Verfügung beeinträchtigt werden?
Hier hat der Erblasser die Möglichkeit, den Pflichtteilsberechtigten als Erben  einzusetzen, diese Erbschaft aber durch eine Anordnung der Vor- und Nacherbschaft, durch Einsetzung eines Testamentsvollstreckers, durch Teilungsanordnung, durch Vermächtnis oder durch eine Auflage zu beeinträchtigen. Dabei ist aber zu beachten, dass § 2306 BGB dem Pflichtteilsberechtigten seinen Pflichtteil in jedem Fall sichern will und der vermeintliche Erbe die Erbschaft ausschlagen und seinen Pflichtteil verlangen kann.

Wie kann der Pflichtteilsberechtigte durch sonstiges Verhalten des Erblassers beeinträchtigt werden?
Indem der Erblasser weitere Pflichtteilsberechtigte beispielsweise mittels Adoption, Zeugung von Kindern oder Heirat schafft, vermindert sich der Pflichtteilsanspruch des erstmals Pflichtteilsberechtigten. Nachteilig ist allerdings, dass sich der Erblasser dadurch auch Unterhaltspflichten aussetzt.
Eine zweite Möglichkeit ist die Option, einen Teil des Nachlasses im Ausland anzulegen. Zwar regelt sich ein Erbfall grundsätzlich nach dem Recht des Landes, dem der Erblasser als Staatsbürger angehört. Damit ist das deutsche Pflichtteilsrecht für den Erbfall in der Regel maßgeblich. Etwas anderes gilt aber dann, wenn es zu einer sog. Nachlassspaltung kommt. Das ist der Fall, wenn sich die Erbfolge hinsichtlich der Grundstücke nach dem Recht des Landes regelt, wo die Immobilien liegen, im übrigen aber das Erbrecht entsprechend der Staatsangehörigkeit gilt. In diesem Fall beurteilt sich der Nachlass nach zwei Rechtsordnungen.
Für den Erblasser ist dadurch eine Pflichtteilsschmälerung möglich, wenn er einzelne Immobilien in Ländern erwirbt, die kein Pflichtteilsrecht kennen. Denn in diesem Fall erhöht sich der Pflichtteilsanspruch nicht durch den Wert der Immobilien, die sich im Ausland befinden.

Was ist bei einer Nachlassspaltung immer zu beachten?
Soll eine Nachlassspaltung eintreten, so muss die Erbfolge auch nach der Rechtsordnung des Landes, in dem sich die Immobilien befinden, mittels letztwilliger Verfügung geregelt sein. Für die Grundstücke muss deshalb ein eigenständiges Testament oder ein Erbvertrag entsprechend den Formvorschriften dieses Landes errichtet werden. So ist beispielsweise in Florida (einem Land, das kein Pflichtteilsrecht kennt) zu beachten, dass ein handschriftliches Testament nicht genügt, sondern die letztwillige Verfügung unter Zeugen errichtet werden muss.

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