Risiken bei Erbengemeinschaften

Das Risiko „Erbengemeinschaft“ – Wenn Erben sich streiten

Was ist eine Erbengemeinschaft?

Eine Erbengemeinschaft entsteht bei einem Erbfall, wenn die verstorbene Person von mehreren Personen beerbt wird. Diese Personen bilden dann als sog. Miterben die Erbengemeinschaft. Eine Erbengemeinschaft besteht also aus mindestens zwei Personen, kann sich aber auf beliebig viele Personen erstrecken. Rechte und Pflichten orientieren sich daran, welchen Anteil jeder Miterbe hat. Dies ergibt sich aus der Erbfolge, die zwischen zwei Situation unterscheidet.

Wenn der Erblasser keine letztwillige Verfügung von Todes wegen (Testament, Ehegattentestament oder Erbvertrag) gilt die gesetzliche Erbfolge. In einem solchen Fall kommt es in fast allen Fällen zu einer Erbengemeinschaft.

Beispiel: Der Mann verstirbt und hinterlässt die Ehefrau im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft und zwei Kinder. Die Ehefrau erbt gesetzlich 1/2 des Nachlasses, die beiden Kinder jeweils 1/4. Alle drei Personen bilden eine Erbengemeinschaft mit den dargestellten Quoten.
Hat der Erblasser seinen Willen in einer letztwilligen Verfügung von Todes wegen kundgetan und nur eine Person als Alleinerben eingesetzt, dann entsteht ausnahmsweise keine Erbengemeinschaft. Werden mehrere Personen wiederum als Erben eingesetzt, kommt es wieder zu einer Erbengemeinschaft.

Beispiel: Der Mann verstirbt und hinterlässt die Ehefrau im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft und zwei Kinder. Er setzt beide Kinder als Erben zu ½ ein und enterbt die Ehefrau. Beide Kinder bilden dann eine Erbengemeinschaft.

Abwandlung: Hätte der Mann dagegen die Ehefrau als Alleinerbin eingesetzt und beide Kinder enterbt, würde keine Erbengemeinschaft bestehen.

Ein Praxisfall zur Erbengemeinschaft

Auch wenn die Erbengemeinschaft umfangreich im Gesetz geregelt ist und in vielen Fällen in der Praxis vorkommt, führt diese Verbindung der Miterben im Regelfall zu Problemen und Streit. Dies soll nachfolgender Fall aus der Praxis des Autors belegen.

Praxisfall: Die zerstörte Immobilie

In einem Erbfall gab es drei Schwestern, die als Miterbinnen zu je 1/3 geerbt haben. Der Nachlass war sehr werthaltig und bestand unter anderem aus einer guten Wohnimmobilie im Norddeutschen Raum. Zwei Schwestern waren sich mit der Verwertung der Immobilie einig und alle drei Schwestern hätten wirtschaftlich beispielsweise von der Veräußerung der Immobilie profitiert. Leider lebte eine Schwester auf der Straße und konnte nicht einmal postalisch ausreichend informiert werden. Über Monate war der Aufenthalt nicht bekannt. Da die Schwester auch kein Interesse an Geld hatte, wollte sie die Auseinandersetzung und Verwertung der Immobilie nicht, sodass die anderen zwei Schwestern einen über fünf Jahre andauernden Rechtsweg bestreiten mussten. Zwischenzeitlich war die Immobilie fast zerstört, da keine ausreichenden Erhaltungsmaßnahmen durchgeführt werden konnten.

Welche Risiken gibt es in einer Erbengemeinschaft?

Dieser Praxisfall zeigt, dass eine Erbengemeinschaft mit Risiken behaftet sein kann, die wir nachfolgend darstellen.

Risiko 1: die unzulässige Vermögensverwertung

Das Hauptproblem der Erbengemeinschaft ist, dass (1) die Miterben einzelne Nachlassgegenstände nicht gesondert verwerten können bzw. dies nur ausnahmsweise zulässig ist und (2) einzelne Miterben nur selten alleine handlungsfähig sind. In der Folge bedeutet dies, dass immer ein einstimmiger Beschluss aller Miterben vorliegen muss und der Nachlass nur als Ganzes zur Verteilung steht. Ein Miterbe ist, unabhängig von der Höhe seiner Quote, handlungsunfähig. Wenn beispielsweise sich ein Streit um das Familienfotoalbum entzündet, kann bereits deshalb der Nachlass unteilbar sein.

Risiko 2: kein Vermögensvorteil für den Miterben

Wenn der Nachlass aber unteilbar ist, erhält der einzelne Miterbe weder Immobilienvermögen aus dem Nachlass, noch Geld. Das heißt, dass er zwar Kosten aus dem Erbfall (Erbschaftssteuer, Beerdigungskosten u. ä.) und Verbindlichkeiten des Nachlasses (Schulden der verstorbenen Person) tragen muss, er aber nicht seinen Anteil aus den positiven Nachlasswerten im Gegenzug einfordern kann. Weitere Verbindlichkeiten entstehen dadurch, dass der Nachlass verwaltet werden muss und hierdurch Kosten entstehen (beispielsweise Versicherungen, Heizung und Wasser für die geerbte Immobilie).

Risiko 3: der unbekannte oder handlungsunfähige Erbe

Das Risiko der fehlenden Einigung zwischen den Miterben untereinander vertieft sich, wenn einer oder mehrere Miterben nicht bekannt sind, beispielsweise, wenn sie unbekannt verzogen sind oder im Ausland leben. Dann ist eine Auseinandersetzung des Nachlasses fast unmöglich. Ähnliches kann gelten, wenn ein Miterbe nicht mehr geschäftsfähig ist, beispielsweise aufgrund einer Demenz. Dann muss erst geprüft werden, ob eine wirksame Vorsorgevollmacht besteht oder ein gesetzliches Betreuungsverfahren erforderlich ist. Noch schlimmer wird die Situation, wenn ein Miterbe während der Auseinandersetzung verstirbt und wiederum von einer Erbengemeinschaft beerbt wird. Denn dann stellt sich zum einen das Auseinandersetzungsproblem doppelt, andererseits kann es aber auch sein, dass jahrelang unklar ist, wer überhaupt als Erbe in dieser zweiten Erbengemeinschaft in Betracht kommt. Solche Probleme stellen sich insbesondere dann, wenn die erbrechtliche Nachfolge aufgrund von einer möglichen Testierunfähigkeit des Erblassers im Streit steht.

Risiko 4: Der unwissende Miterbe

Hiervon unabhängig hat ein Miterbe weitere erhebliche Risiken, weil seine rechtliche Stellung im Verhältnis zu den anderen Miterben nicht ausreichend geregelt ist. Nicht ausreichend geregelt sind vor allem die Auskunftsansprüchen zwischen den Miterben. Ein Problem ergibt sich daraus immer, wenn ein Miterbe die Wohnung der verstorbenen Person in Beschlag nimmt und die anderen Miterben dann keine Kenntnis erlangen, welche Gegenstände, welche Gelder und welches Vermögen der Erblasser hatte. Dies kann dann nur mit Schwierigkeiten eingeklagt werden.

Wie kann eine Erbengemeinschaft beendet werden?

Eine Erbengemeinschaft kann einvernehmlich durch einen Auseinandersetzungsvertrag beendet werden. Gibt es aber Streit, so muss eine sog. Auseinandersetzungsklage zwischen den einzelnen Miterben vor Gericht geführt werden. Dies ist bereits deshalb schwierig, weil in dieser Auseinandersetzungsklage alle Nachlassbestandteile nach der Quote zutreffend aufgeteilt werden müssen. Dies ist in der Praxis nur schwer möglich.

Wie kann man die Risiken einer Erbengemeinschaft vermeiden?

Deshalb ist es natürlich sinnvoll, soweit möglich das Entstehen einer Erbengemeinschaft zu vermeiden bzw. die Konflikte hieraus abzumildern. Hierbei gibt es folgende Möglichkeiten.

Möglichkeit 1: Lebzeitige Übertragung von Vermögen

Die vererbende Person kann den einzelnen potentiellen Miterben schon zu Lebzeiten Vermögensgegenstände übertragen. Wenn das Hauptvermögen bereits übertragen ist, reduziert sich erfahrungsgemäß der Streit.

Möglichkeit 2: Einsetzen eines Alleinerben

Durch eine sinnvolle testamentarische Gestaltung kann das Entstehen einer Erbengemeinschaft vermieden werden. Häufig kann es ausreichend sein, dass ein Alleinerbe eingesetzt wird und andere potentielle Miterben keine Erben werden und ein bloßes Vermächtnis erhalten, also die Zuwendung eines Einzelgegenstandes oder Geldbetrags.

Möglichkeit 3: Testamentsvollstreckung

Es ist erbrechtlich zulässig, die Auseinandersetzung des Nachlasses einem Dritten als Testamentsvollstrecker zu übertragen, beispielsweise einem Rechtsanwalt. Dieser löst dann unabhängig von der Erbengemeinschaft die Streitpunkte, ohne dass die Miterben dies blockieren können.

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